17.03.2012

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taz

 Gedrängel auf dem Piratenschiff
Von Pascal Beucker

NRW-NEUWAHL Auf die Landesliste der Piraten wollen mehr als 60 KandidatInnen - stündlich werden es mehr.

Mit hektischer Betriebsamkeit bereitet sich die Piratenpartei auf die Landtagswahl am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen vor. Das Gerangel um einen der vorderen Plätze auf der Landesliste, die auf einem außerordentlichen Landesparteitag nächste Woche in Münster aufgestellt werden soll, ist in vollem Gang. Und die Aussicht auf den Einzug ins Düsseldorfer Parlament weckt große Begehrlichkeiten: Insgesamt bewarben sich bis Redaktionsschluss bereits mehr als 60 KandidatInnen - ein bunter Haufen, der sich um die als aussichtsreich betrachteten ersten 20 Plätze balgt. Beinahe stündlich kommen neue hinzu.

Der Kreis reicht vom "klassischen" Nerd über Renegaten von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei bis hin zu evangelikalen Christen wie etwa dem 50-jährigen Diplominformatiker Rainer Klute. Ende 2010 hatte der frühere Landespressesprecher der NRW-Piraten, der die Evolutionstheorie ablehnt, bereits an Austritt gedacht, weil der Bundesparteitag die Gleichstellung der Ehe mit "irgendwelchen Lebensgemeinschaften" beschlossen hatte. Jetzt will er seinen Hut ab Platz 2 in den Ring werfen.

Als Spitzenkandidat antreten will der Landesvorsitzende Michele Marsching. Auch wenn seine Aussichten nicht schlecht stehen dürften, gibt es einige Konkurrenz für den Softwareentwickler. Bis gestern Abend erklärten bereits neun weitere Männer ihren Anspruch auf Platz 1 der Liste - und eine Frau, Kerstin Brinkmann, die Vorsitzende des Kreisverbands Hagen.

Als aussichtsreichster Herausforderer gilt der 53-jährige Pfarrer Hans Immanuel Herbers. Er blickt auf eine bewegte politische Vergangenheit zurück: Einst Sympathisant der KPD/AO, zählte Herbers zu den Gründern der Grünen und gehörte eine Zeit lang deren Landesvorstand in NRW an. 2009 trat der Ökolibertäre den Piraten bei, die ihn bei der Landtagswahl 2010 auf den Listenplatz 2 wählten. Sein Credo: "Schwarz-gelbe soziale Menschenverachtung lehne ich genauso ab wie rot-grüne Zwangsbeglückung."

Gedanken über eventuelle Koalitionsverhandlungen macht sich bereits der freiberufliche Informatiker Jan Dörrenhaus, der sich ebenfalls um den Listenplatz 1 bemüht. "Man kann leider im politischen Geschäft nicht alles auf einmal haben", meint der 29-jährige Dortmunder. "Um es also auf den Punkt zu bringen: Für eine gesetzliche Festlegung der Netzneutralität oder für eine grundlegende, positive Urheberrechtsreform akzeptiere ich soziale Einschnitte."

Erst auf dem Landesparteitag wird die Bewerberliste geschlossen. "Wir lassen auch Spontankandidaturen zu", sagt Landeschef Marsching. Vielleicht finden sich dann auch noch mehr Frauen - bisher haben sich nur neun beworben. Die prominenteste nordrhein-westfälische Piratin ist nicht darunter: Marina Weisband will zwar kräftig im Wahlkampf mitmischen, aber die Bundesgeschäftsführerin bleibt wohl bei ihrer Erklärung, sich ein Jahr lang von allen Posten und Mandaten fernhalten zu wollen, um ihr Psychologiestudium zu beenden.


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