02.04.2012

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taz

 Durchhalteparolen vor dem Abgrund
Von Pascal Beucker

LINKSPARTEI Ohne Leidenschaft und Selbstvertrauen torkelt die Linkspartei in Richtung Landtagswahl. Die verbliebenen Hoffnungen richten sich auf die neue Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen. Doch die einstige Aufbruchstimmung ist verloren.

Katharina SchwabedissenDie Stimmung in der Hagener Stadthalle am Samstag ist gedrückt. Wie ein Damoklesschwert baumelt die Landtagswahl am 13. Mai über den Köpfen der rund zweihundert Linkspartei-Delegierten. "Wir sind gekommen, um zu bleiben, wir kämpfen und wir werden bleiben", versucht Katharina Schwabedissen ihnen Mut zu machen. „Die Linke ist die einzige Partei, die für und an der Seite der Mehrheit der Menschen steht.“ Der Beifall bleibt höflich, aber matt.

Wie ein Mantra taucht der Satz von der Mehrheit, deren Interessen die Linkspartei vertrete, an diesem Wochenende auf. Auch Wolfgang Zimmermann und Bärbel Beuermann, die anderen beiden des sogenannten Spitzentrios, das die Linkspartei in den Wahlkampf schicken will, bemühen ihn. Das Problem ist nur: Die Mehrheit der Menschen hat er bislang nicht überzeugen können. Im Gegenteil: Der Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag ist akut gefährdet. Trotz der Beschwörung bisheriger Erfolge: von der Abschaffung der Studiengebühren bis zur Aufhebung der Residenzpflicht für Asylbewerber.

Das Schlimmste für die Partei ist jedoch, dass sie nicht mehr an sich selbst zu glauben scheint. Ohne Leidenschaft bewältigt sie in Hagen ihr Pensum. Das leicht modifizierte Landtagswahlprogramm wird ohne größere Debatte einstimmig beschlossen. Auch um die als aussichtsreich geltenden Plätze auf der Landesliste gibt es kein Gerangel. Nur zwei der zehn Landtagsabgeordneten, die wieder antreten, müssen sich überhaupt einer Gegenkandidatur erwehren. Ein Mandat bei der Linkspartei ist derzeit nicht sonderlich attraktiv.

Nur eine will es wissen: Katharina Schwabedissen. Sozialisiert in der Anti-AKW- und Friedensbewegung, gilt die 39-jährige Krankenschwester als eines der wenigen politischen Talente im Westen. Die eloquente Feministin, die einst die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) in NRW in die Linkspartei überführte, steht der Partei in NRW seit 2008 vor. Parlamentarischen Verlockungen widerstand sie bislang. Aber nach der überraschenden Auflösung des Düsseldorfer Landtags hat sich die zum linken Flügel zählende Schwabedissen jetzt als Spitzenkandidatin in die Pflicht nehmen lassen. Doch nicht alle glauben an die junge Hoffnungsträgerin: Bei ihrer Nominierung kommt sie nur auf 70,3 Prozent der Stimmen und ist damit weit entfernt von den SED-ähnlichen Ergebnissen der ebenfalls an diesem Wochenende gewählten SpitzenkandidatInnen von SPD, Grünen und FDP.

Im Wahlkampf setzt die Linkspartei ganz auf die soziale Karte: Sie fordert die Einführung eines landesweiten Sozialtickets für 15 Euro, gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder, einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro und das Verbot von Leiharbeit. Eine Politik der Einsparungen lehnt sie ab. Stattdessen sollen die staatlichen Einnahmen erhöht werden: "Unsere Schuldenbremse heißt Millionärssteuer", sagt Schwabedissen. Zu den Chancen, die Fünfprozenthürde zu nehmen, sagt die Landessprecherin. "Das wird hart werden. Aber wir können es schaffen." Ein Scheitern in NRW hätte nicht absehbare Folgen für die gesamtdeutsche Linkspartei.

Doch wie immer der Urnengang am 13. Mai ausgehen wird, Rüdiger Sagel wird nicht mehr dabei sein. 14 Jahre saß er im Düsseldorfer Parlament. Jetzt hat der Ex-Grüne genug: Sagel ist der einzige aus der bisherigen Fraktion, der nicht wieder kandidiert. Das sei kein Abschied von der Linkspartei, die er im Wahlkampf kräftig unterstützen wolle, betont Sagel. Doch die Aufbruchstimmung, die sie 2010 mit 5,6 Prozent knapp in den Landtag getragen hatte, sei völlig verflogen. "Da hilft wahrscheinlich nur noch ein Wunder", sagt er. Sagel empfiehlt seiner Partei, auf eine Zweitstimmenkampagne auf Kosten der SPD zu setzen: Soziale Politik betrieben die Sozialdemokraten nur bei einer starken Linkspartei im Parlament.

Manch anderer Delegierter setzt allerdings lieber auf einen ehemaligen Sozi: Wenn Oskar Lafontaine noch vor dem Wahltag signalisieren würde, als Bundesvorsitzender zurückzukehren, könnte das vielleicht den fehlenden Schwung in Nordrhein-Westfalen bringen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.


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