ENERGIE
In seiner Abschiedsrede auf der Hauptversammlung verteidigt der
scheidende Konzernchef seinen Dino-Kurs. Der Gewinn des
Stromversorgers sinkt um ein Drittel.
Der
Abschied fällt Jürgen Großmann schwer. Der RWE-Vorstandsvorsitzende
machte auf seinem letzten großen Auftritt auf der
Jahreshauptversammlung des Stromriesen am Donnerstag in Essen seinem
Unmut über den Atomausstieg und die Energiewende Luft. "Wir alle
sind Teil eines ökonomischen und gesellschaftlichen Experiments",
beklagte er sich.
Mit Großmann tritt der letzte große
Atom-Dinosaurier ab, bis zuletzt hatte er auf die
Hochrisikotechnologie gesetzt. Jetzt muss der Essener Energiekonzern
für seine Starrköpfigkeit die Zeche zahlen. "Das sofortige Aus für
Biblis und der beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie sowie die
Steuer auf Kernbrennstoffe haben das betriebliche Ergebnis mit rund
1,3 Milliarden Euro belastet", sagte Großmann in seiner
Abschiedsrede. Insgesamt sei der Gewinn um 34 Prozent auf 2,5
Milliarden Euro gesunken. Die Nettoschulden seien bis zum Jahresende
auf knapp 30 Milliarden Euro gestiegen.
Der zweitgrößte deutsche Energieversorger hält
weiter an seinen Klagen gegen das Atommoratorium vom vergangenen
Jahr und die Kernbrennstoffsteuer sowie der Verfassungsbeschwerde
gegen die Novellierung des Atomgesetzes fest. Er halte es "nach wie
vor für richtig, dass RWE als Erster den Mut hatte, diese Klagen
gegen massiven politischen und öffentlichen Druck anzustrengen",
sagte der 60-jährige Milliardär, der zum 1. Juli die Konzernleitung
an Peter Terium übergibt.
Dass der Atomausstieg wieder gekippt werden
könnte, daran glauben selbst die AKW-Betreiber nicht mehr. Es geht
nur noch ums Geld. "Zu klären ist, wie der entstandene Schaden für
das Unternehmen ausgeglichen wird", sagte Großmann. Falls die
Verfahren zu ihren Gunsten ausgehen, hoffen RWE, Eon & Co auf
Entschädigungen in Milliardenhöhe. Dass RWE die Auseinandersetzungen
um die Atomkraft für verloren hält, zeigte sich an Großmanns
Ankündigung, wegen des finanziellen Risikos "den Neubau von
Kernkraftwerken in Großbritannien nicht weiter zu verfolgen" und den
Verkauf möglicher Standorte zu prüfen. Weitere AKW-Neubauten seien
nicht geplant.
Großmann habe einen "Kurs zwischen Kernschmelze
und Klimakatastrophe" gefahren, kritisierten Vertreter des
Dachverbandes der Kritischen Aktionäre. Sie warfen RWE vor, den
Braun- und Steinkohleanteil bei der Stromproduktion weiter erhöhen
zu wollen. Schon jetzt sei der Konzern der größte CO₂-Emittent in
Europa. Auch forderten die Kritischen Aktionäre die Stillegung der
Urananreicherungsanlage in Gronau, die nachwievor jedes zehnte AKW
weltweit mit Brennelementen beliefert. Ihr Antrag, Vorstand und
Aufsichtsrat aufgrund der verantwortungslosen Klimapolitik von RWE
nicht zu entlasten, scheiterte allerdings erwartungsgemäß.
Akkustisch unterstützt von Sambagruppen
protestierten vor der Grugahalle knapp 150 Demonstranten der
Kampagne „RWE Unplugged – dem Energieriesen den Stecker ziehen“. Ihr
Versuch, den Zugang zum gut gesicherten Tagungsort zu blockieren,
scheiterte am großen Polizeiaufgebot. Nach Angaben der Kampagne
wurden zehn Umweltaktivisten vorläufig festgenommen.
Auf die Proteste ging Großmann nur indirekt ein.
Er beklagte, dass das "Beschimpfen von Energieversorgern in manchen
Kreisen zum guten Ton" gehören würde. Ansonsten versprach er, dass
RWE den Anteil der erneuerbaren Energien an der Erzeugungskapazität
auf mindestens 20 Prozent steigern wolle.
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