24.04.2012 |
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Als „Klickhure“ missbraucht |
Von Pascal Beucker |
Wie es eine lustige Persiflage auf ein
SPD-Plakat auch zum Handelsblatt und der Bild schaffte – und das
ganz ungewollt. Unser Autor hat's erlebt.
Es
hätte langweilig und öde werden können. Wieder eine von vielen
peinlichen Aktionen, mit denen sich die etablierten Parteien
besonders in Wahlkampfzeiten an die Internet-Community
heranzuschleimen pflegen. Doch diesmal kam es anders: Was für ein
Glück hatte die nordrhein-westfälische SPD bloß, dass sich an ihrem
Online-Plakatwettbewerb auch jene zwei pfiffigen Tübinger Jusos mit
ihrem Vorschlag „Currywurst ist SPD“ beteiligten. Gaga oder genial? Ob in sozialen Netzwerken oder klassischen
Medien: Schon lange wurde nicht mehr so heiß über ein Plakatmotiv
diskutiert. Und nicht nur das: Das schräge Plakat lud einfach dazu
ein, über weitere mögliche sozialdemokratische Lebensmittelvarianten
nachzudenken. Im Netz tummeln sich seitdem viele mehr oder weniger
originelle Kreationen: „Frikandel speciaal ist SPD“, „En Happen Mett
es SPD“, „Flönz es SPD“, „Franzbrötchen ist SPD“, „Äbbelwoi ist SPD“
oder auch „Bierchen ist SPD“. Bei letzterem Slogan kommt der Autor
dieser Zeilen ins Spiel. Denn der Spruch stammt von mir. Die Idee dazu war mir am 16. April beim Warten
auf die Autorisierung eines Interviews mit der stellvertretenden
NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) gekommen, das am
folgenden Tag in der taz veröffentlicht werden sollte. Mit verkniffenen Augen und Kölsch in der
Hand Da sitzt man als taz-Landeskorrespondent immer
etwas auf heißen Kohlen, ob auch alles klappt, kann aber nichts
anderes machen, als abzuwarten – und sich abzulenken. Und dabei fiel
mir ein Foto ein, das ich während des Landtagswahlkampfes 2005 von
dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück geschossen
hatte. Es zeigt den angehenden Wahlverlierer, wie er mit
verkniffenen Augen ein Glas Kölsch trinkt. Zu dem Bild setzte ich den Spruch „Bierchen ist
SPD“ und stellte das Ganze als kleinen satirischen Beitrag zum
aktuellen Landtagswahlkampf auf meine Facebook-Seite. Mein
„Vorschlag“ wurde kommentiert, er wurde geteilt und verbreitete sich
schnell im Netz. So weit, so gut. Doch wenige Tage später stieß ich darauf, dass mein „Bierchen ist SPD“-Scherzplakat auch bei journalistischen Kollegen auf Interesse gestoßen war – und zwar auf professionelles, kommerzielles Interesse. Denn ich fand mein Motiv auf den Webseiten vom Handelsblatt und von Bild, eingepasst in Bilderstrecken, in Branchenkreisen auch derbe „Klickhuren“ genannt. Angeprangerte Kostenlosmentalität Das verwunderte mich sehr, auch wenn ich mich
durchaus geschmeichelt fühlte, vom Handelsblatt als „ein
Kreativer im Netz“ bezeichnet zu werden. Aber führt die
Wirtschaftszeitung nicht gerade eine Kampagne, die vorgibt, die
Rechte der Urheber gegen die Piratenpartei zu verteidigen? Und dann
benutzt das Handelsblatt für seine Online-Bilderstrecke
einen satirischen Plakatentwurf von mir, mit einem Foto, das ich
geschossen habe – und zwar ohne jegliche Quellenangabe, ohne mich
vorher gefragt zu haben, ohne mich als Urheber namentlich zu nennen
und selbstverständlich ohne mir ein Honorar angeboten zu haben? Ist die Zeitung also etwa doch insgeheim für jene
ansonsten von ihr angeprangerte Kostenlosmentalität – und zwar genau
dann, wenn es ihren eigenen ökonomischen Verwertungsinteressen
nutzt? Hat Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nicht unlängst
gegen die „Gratis-Kultur im Internet“ gewettert, vor
„Piraten-Geschäftsmodellen“ gewarnt und sich als Verteidiger des
Urheberrechts präsentiert? Bei Bild.de ist das offenkundig
noch nicht angekommen. Was die Angelegenheit in Bezug auf die
Raubkopierern von Bild.de noch etwas ärgerlicher macht:
Anders als dem Handelsblatt hätte ich denen niemals ein Bild von mir
überlassen, wenn sie mich gefragt hätten. Da bin ich sehr
altmodisch: Ich mag weder die Bild-Zeitung noch deren
Online-Version. Was tun? Sicherlich, ich hätte direkt nach irgendwelchen
Abmahnanwälten Ausschau halten können. Aber die mag ich auch nicht.
Also versuchte ich, dem Handelsblatt und Bild.de
auf anderem Wege auf die Sprünge zu helfen: Durch entsprechende
Hinweise auf ihre Urheberrechtsverletzungen auf meiner
Facebook-Seite. Auch diese Hinweise verbreiteten sich wieder
schnell, wurden unter anderem vom Mediendienst turi2.de und
dem Blog des Medienjournalisten Thomas Knüwer aufgegriffen. „Ein grober Fehler“
Und sie erreichten ihre Adressaten. Nur deren
Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Am Montagmittag meldete
sich das Handelsblatt zerknirscht bei mir und entschuldigte
sich vielmals, „dass wir das Bild ohne Ihr Einverständnis verwendet
haben“. Das sei ein grober Fehler gewesen. „Ich hatte nur einen Link
auf das Bild zur Verfügung, anhand dessen für mich nicht
nachvollziehbar war, wer der Urheber ist“, erklärte der zuständige
Online-Redakteur seinen Fauxpas. „Wir haben aus der Sache gelernt:
Künftig lassen wir von solchen uneindeutigen Quellen die Finger.“ Im
konkreten Fall bat er um eine gütliche Einigung. Und wir haben uns
gütlich geeinigt. Aber was machen die Raubkopierer von Bild.de? Von denen hat sich bisher niemand bei mir gemeldet – sie versuchen es lieber auf die miese Tour: Um die Peinlichkeit zu vertuschen, wurde ihre Bilderstrecke unter der Überschrift „Wahlplakate der SPD: Spaßvögel verwursten Krafts Curry-Plakat“ einfach klammheimlich gelöscht. Wer auf den entsprechenden Link bei Google geht, landet jetzt nur noch auf der Seite „Düsseldorf aktuell“.
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