WAHLKAMPF In Köln
und Kiel streiten Grüne, Piraten und Linkspartei um Inhalte und
Wähler. Grüne können sich "themenorientierte Zusammenarbeit" mit
Piraten vorstellen.
KÖLN/KIEL
taz - Gleich die erste Frage bringt Sven Lehmann etwas in die
Bredouille. "Was ist eigentlich gut an den Piraten?", will
taz-Chefredakteurin Ines Pohl von dem Landeschef der
nordrhein-westfälischen Grünen wissen. Lehmann braucht eine kurze
Pause zum Überlegen. Dann sagt er: "Auch wenn das viele nicht
erwarten: Erst mal finde ich gut, dass es sie gibt." Denn sie
schafften es offenbar, viele Menschen davon zu überzeugen, "dass
Politik etwas Spannendes ist und es sich lohnt, sich einzumischen".
Lehmanns Antwort gibt die Richtung vor. Die
Diskussion, zu der die taz für Donnerstagabend ins Kölner Bürgerhaus
Stollwerck eingeladen hatte, wird keine der ritualisierten
Abgrenzung. Lehmann und seine MitdiskutantInnen, die
Landesvorsitzenden der Linkspartei und der Piraten, Katharina
Schwabedissen und Michele Marsching, sind nicht auf Krawall
gebürstet. Die rund 200 ZuschauerInnen erleben vielmehr drei
PolitikerInnen, die einen freundlichen Umgang miteinander pflegen.
Auch im Legienhof in Kiel haben sich am
Donnerstag etwa 200 Gäste versammelt. Allerdings geht es unter der
Moderation von Hanna Gersmann, der Leiterin des taz-Inlandsressorts,
zwischen den Spitzenkandidaten von Grünen, Linkspartei und Piraten
in Schleswig-Holstein ruppiger zu. Als würde er zwischen Pudding und
Beton sitzen, so empfindet der grüne Frontmann Robert Habeck die
Debatte mit dem Linksparteiler Ulrich Schippels und mit Torge
Schmidt von den Piraten. "Die Auseinandersetzung mit den Piraten ist
schwer, wie mit Pudding zu boxen", sagt Habeck. "Dagegen ist die
Linke eine Betonwand."
Habeck und Schippels haben als Opposition gegen
die schwarz-gelbe Regierung eher selten zusammengearbeitet. Auch auf
dem taz-Podium geben sich die beiden keine große Mühe, ihre
wechselseitige Antipathie zu verbergen: "Keine Ahnung" habe
Schippels, giftet Habeck. Schippels wirft Habeck vor, zusammen mit der SPD
die Linkspartei auszugrenzen.
Insgesamt sei die Landespolitik "eine große
Show", meint Schippels. An der Show wird die Linkspartei vermutlich
künftig weder in Schleswig-Holstein noch in Nordrhein-Westfalen
teilnehmen: Laut den neuesten Umfragen liegt sie im hohen Norden bei
nur noch 2,5 Prozent. An Rhein und Ruhr hat sie 4 Prozent. Die
Piraten werden in beiden Ländern derzeit auf 9 Prozent taxiert. Die
schleswig-holsteinischen Grünen kommen mit 13 Prozent momentan auf
etwas mehr als die Grünen in NRW mit 10 Prozent.
Inzwischen steht sogar die lange Zeit sicher
geglaubte rot-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Landtag wieder auf der
Kippe. Sven Lehmann warnt denn auch eindringlich vor einer drohenden
großen Koalition. Wären denn die Grünen im Fall der Fälle bereit,
der SPD Alternativen anzubieten? "Wir sind bereit, auch neue Modelle
auszuprobieren", sagt der Grüne. Schließlich sei das Experiment der
rot-grünen Minderheitsregierung erfolgreich gewesen. Explizit
erwähnte er die Abschaffung der Studiengebühren und die Aufhebung
der Residenzpflicht für Asylbewerber, die zusammen mit der
Linkspartei hätten durchgesetzt werden können. Eine
themenorientierte Zusammenarbeit könne er sich auch mit den Piraten
vorstellen, denn programmatisch gebe es "viele Anknüpfungspunkte".
"Copy-and-paste möchte ich jetzt nicht unterstellen", schmunzelt
Lehmann.
"Die Minderheitsregierung war das Beste, was dem
Land in den letzten Jahrzehnten passiert ist", sagt Oberpirat
Marsching. Die künftige Piratenfraktion werde im Landtag "keine
Blockadehaltung einnehmen, wir sind keine Demokratieverweigerer".
Dass sich die Piraten an manchen Stellen vom Programm der Grünen
haben inspirieren lassen, bestreitet er nicht, im Gegenteil: "Ich
finde, gute Dinge soll man kopieren." An Parteiprogrammen gebe es
schließlich kein Urheberrecht.
Schleswig-Holsteins Chefpirat Torge Schmidt
glaubt, seine Partei könne mit ihren Kernthemen punkten. Doch zu
vielen Fragen dieses Abends hat der 23-jährige Spitzenkandidat keine
Meinung, oft schließt er sich Habeck an. Zu rechten Tendenzen - ein
Lübecker Pirat kritisierte Zuwendungen an den Zentralrat der Juden
und warb im Internet für rechte Bands - sagte er, die Äußerungen
seien "selten dämlich", doch der Mann selbst sei in Ordnung. Die
Diskussion über rechte Tendenzen einzelner Mitglieder spielt auch in
Köln eine Rolle. "Das Problem kennen alle Parteien", räumt
Linksparteilerin Schwabedissen ein. Aber sie erwarte von
demokratischen Parteien, klar Position zu beziehen: "Für solche
Menschen ist bei uns kein Platz." Der Beifall ist groß, auch
Marsching applaudiert.
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