NORDRHEIN-WESTFALEN
Die rot-grünen Koalitionsverhandlungen gehen in die Verlängerung.
Viele Streitpunkte sind noch offen, der finanzielle Spielraum für
die Regierung ist eng.
Sie lachten und sie scherzten. Auch nach der
dritten Runde ihrer Koalitionsverhandlungen präsentierten sich die
rot-grünen Verhandlungsführerinnen Hannelore Kraft und Sylvia
Löhrmann am Mittwochabend in Düsseldorf wohlgelaunt. Etwas zu
wohlgelaunt. Denn hinter den verschlossenen Türen geht es weniger
harmonisch zu. Hart wird um Prioritäten und die Etats der künftigen
Regierung gerungen. Nach dem Willen der SPD soll sich ihr
Stimmenzuwachs bei der Landtagswahl vom 13. Mai deutlich im neuen
Koalitionsvertrag widerspiegeln - zu Lasten der Grünen.
Gegenüber den Verhandlungen vor zwei Jahren habe
sich der "Sound" verändert, beklagt ein grüner Unterhändler. Der
Umgang sei zwar immer noch nicht mit den Ruppigkeiten aus den
dunklen Zeiten der SPD-Regierungschefs Clement und Steinbrück zu
vergleichen, die nichts ausließen, um die Grünen zu demütigen. Aber
die alte Genossenherrlichkeit schimmere jetzt doch wieder deutlich
stärker durch. Wenn sie sie nicht mehr für nötig hält, fallen der
SPD Verhandlungen auf Augenhöhe mit den Grünen schwer.
Das zeigt sich insbesondere in der Wirtschafts-
und Energiepolitik. Die SPD pocht auf einen industriefreundlicheren
Kurs. Dazu gehört für sie auch auch ein Bekenntnis zum umstrittenen
Steinkohlegroßkraftwerk Datteln, da man keine "Investitionsruine"
wolle. Außerdem setzt sie unverdrossen auf den Bau neuer
Braunkohlekraftwerke. Die Klimaschutzziele von Umweltminister
Johannes Remmel halten die Sozialdemokraten hingegen für zu
ehrgeizig, weil nicht industriefreundlich genug.
Am liebsten würde die SPD dem grünen Ressortchef
deshalb sowohl die Kompetenzen für die Klimapolitik als auch für
jene derzeit noch bei ihm angesiedelten Bereiche der Energiepolitik
entziehen. Die sollen übergehen auf ein neues Wirtschafts- und
Energieministerium. Dafür soll das von dem SPDler Harry Kurt
Voigtsberger geführte Megaressort für Wirtschaft, Energie, Bauen,
Wohnen und Verkehr geteilt werden. So könnte sich die SPD einen
weiteren Platz am Kabinettstisch verschaffen. Keinen Platz mehr soll
es hingegen in einem der beiden neuen Ministerien für den
parlamentarischen Staatssekretär aus den Reihen der Grünen geben.
Denn die neue Devise der Genossen lautet: „Rotes Haus bleibt rotes
Haus.“
Dass die SPD droht, in schlechte Gewohnheiten
zurückzufallen, zeigte sich erstmals bereits vor der Konstituierung
des neuen Landtags am 31. Mai. In den Koalitionsverhandlungen hatten
sich Rot-Grün gerade mal über die Formalitäten verständigt, da
verkündeten die Sozialdemokraten bereits ihre erste
Personalentscheidung: Die Ernennung von Krafts früherem Büroleiter
Karl-Heinz Krems zum Staatssekretär im Justizministerium. Ein
pikanter Vorgang, denn der direkt gewählte SPD-Abgeordnete aus
Düsseldorf verzichtete für den besser dotierten Job auf seinen Platz
im Landtag - und verschaffte so dem SPD-Fraktionschef Norbert Römer
das Mandat, das ihm die Wähler nicht hatten geben wollen.
Verständigungen gibt es zwischen SPD und Grünen
bislang in etlichen, landespolitisch eher unkontroversen
Themenbereichen: etwa der Jugend-, Kultur-, Sport-, Frauen-,
Justiz-, Europa- oder der Medienpolitik. Allerdings stehen alle
getroffenen Absprachen noch unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Ohnehin sind die Finanzen der zentrale Knackpunkt. 1 Milliarde Euro
wollen SPD und Grünen im Etat einsparen. Doch gleichzeitig will die
SPD ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr einführen, Kostenpunkt bis
zu 180 Millionen Euro. Die Grünen sind dagegen. Von ihren
Kürzungsvorschlägen in anderen Bereichen halten die Sozialdemokraten
hingegen nicht viel. So sind sie momentan nur einig, dass sämtliche
Förderprogramme auf Einsparpotenziale durchforstet werden sollen. Wo
möglich, sollen Subventionen durch Kredite ersetzt werden.
Außerdem hofft Rot-Grün auf die Einführung einer
Vermögensteuer nach der nächsten Bundestagswahl. Der finanzielle
Spielraum ist auf jeden Fall eng. "Wir werden nicht viel
versprechen, aber das, was wir versprechen, wollen wir auch halten",
verkündet Kraft.
Bis kommenden Dienstag, dem Geburtstag von
Ministerpräsidentin Kraft, wollen SPD und Grüne ihren
Koalitionsvertrag unter Dach und Fach bringen. Der Zeitplan ist
ehrgeizig. Bislang haben die rot-grünen Unterhändler nicht viel
Vorzeigbares zustande gebracht. Öffentlich mitgeteilt haben Kraft
und Löhrmann nur ihre Verständigung auf die Einrichtung einer
Kommission, die die Landesverfassung überarbeiten soll. Ziele seien
die Absenkung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre und die
Senkung der Hürden für Volksbegehren. Außerdem sollen die
Informationsrechte des Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt
werden. Für etwaige Verfassungsänderungen braucht Rot-Grün
allerdings entweder die Zustimmung der CDU oder der FDP und der
Piraten.
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