KANZLERKANDIDAT
In NRW gilt Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück noch immer als
Grünenfresser. Von einer Ampel mit der FDP wollen die Grünen schon
gar nichts wissen.
Wer mit führenden Grünen in Nordrhein-Westfalen
über Peer Steinbrück spricht, blickt in skeptische Gesichter. "Neben
Steinbrück bleibt sehr viel Raum für unsere Themen", formuliert es
der grüne Landesvorsitzende Sven Lehmann diplomatisch. Auch seine
Vorgängerin Daniela Schneckenburger klingt wenig begeistert, wenn
der Name des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten fällt. "Steinbrücks
Nominierung zum Kanzlerkandidaten ist eine Entscheidung der SPD",
sagt die heutige Dortmunder Landtagsabgeordnete. "Ob es eine gute
Entscheidung war, wird sich zeigen."
Deutlicher wird Landesvorstandsmitglied Robert
Zion. In NRW hätten alle Grünen nach Steinbrücks Nominierung die
Hände über den Kopf zusammengeschlagen. "Seine
Charaktereigenschaften sind uns noch allzu gut bekannt", sagt der
Parteilinke. Andere Grüne drücken ihre tiefe Abneigung noch
unverblümter aus, sprechen von der "Rückkehr eines Untoten". Sie
haben nicht vergessen, wie der cholerische "Grünenfresser" mit
seinen permanenten Attacken auf den kleineren Partner 2005 die
rot-grüne Koalition im Land an die Wand gefahren hat.
Ebenso gut in Erinnerung ist an Rhein und Ruhr
auch Steinbrücks Liebäugeln mit der FDP, die er während seiner
Regierungszeit nur allzu gerne gegen die Grünen eingetauscht hätte.
Entsprechend gereizt reagieren viele NRW-Grüne auf die neuen
rot-gelb-grünen Gedankenspiele des SPD-Kanzlerkandidaten. Eine Ampel
im Bund bezeichnet Landeschef Lehmann als "absolut absurde
Vorstellung". Schließlich wollen die Grünen im Wahlkampf mit den
Themen Klimaschutz und Energiewende, Gerechtigkeit und Umverteilung
punkten. Da gebe es keine inhaltlichen Schnittmengen mit den
Freidemokraten.
Strategisch gilt eine Ampel sogar als gefährlich:
Eingeklemmt zwischen dem industriefreundlichen Beton-Sozi Steinbrück
und den Neoliberalen von der FDP wäre der sozial-ökologische
Gestaltungsspielraum allzu gering, ist aus Düsseldorf zu hören. Die
NRW-Grünen werben deshalb für einen "Kurs der Eigenständigkeit" im
Bundestagswahlkampf. Damit sei die Partei in den vergangenen
Wahlkämpfen gut gefahren. "Wir sind kein Anhängsel der SPD", mahnt
Daniela Schneckenburger.
Ein definitives Nein zur Ampel wie im
Bundestagswahlkampf 2009 aber wollen die NRW-Grünen bei ihrer
Bundesspitze nicht durchkämpfen. "Wir machen keinen
Negativwahlkampf", sagt Robert Zion. Auch ohne vorherigen
Unvereinbarkeitsbeschluss werde es jedoch trotzdem keine
Ampelkoalition geben. "Die ist bei den Grünen nicht durchsetzbar",
ist er überzeugt. Zion plädiert stattdessen für ein anderes Bündnis:
"Ich bin für Rot-Rot-Grün." Die Zeit sei reif für einen
Politikwechsel. Der sei jedoch nur mit der Linkspartei möglich,
falls es für Rot-Grün alleine nicht reiche. Das Problem: Eine
Zusammenarbeit mit der Linkspartei hat Steinbrück bereits definitiv
ausgeschlossen. Nach Ansicht Zions ein fataler Fehler: "Dessen Line
führt schnurstracks in die große Koalition", warnt er.
Es gebe noch eine Alternative: Schwarz-Grün. Das
wäre immer noch besser als eine Ampelkoalition unter einem Kanzler
Steinbrück, sagen führende Landes-Grüne hinter vorgehaltener Hand.
Doch realistisch sei das nicht. So bleibt den NRW-Grünen nur noch
das Prinzip Hoffnung. "Wir kämpfen für Rot-Grün", macht sich der
Landtagsfraktionsvorsitzende Reiner Priggen Mut - auch wenn beide
Parteien zusammen in den aktuellen Umfragen gerade mal auf 40 bis 42
Prozent kommen. "Wer weiß", sagt Priggen, "wie es in einem Jahr
aussieht."
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