16.11.2012 |
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Jagd durchs Tunnellabyrinth |
Von Pascal Beucker |
Schon seit Dienstag harrt ein
Umweltaktivist in einem Erdbunker aus. Er protestiert gegen die
Braunkohleförderung im Hambacher Forst. Pfiffiger als die Polizei erlaubt: Im Hambacher
Forst trotzt ein Umweltaktivist immer noch seiner „Befreiung“. Seit
Dienstag befindet sich der junge Mann in einem metertiefen Erdbunker
- und narrt die Einsatzkräfte. Am Freitagmittag glaubten sie schon,
kurz vor seiner Bergung zu stehen. Doch sie irrten. Der Waldschützer
entkam. Das Katz-und-Maus-Spiel geht weiter. Seit nunmehr vier Tagen harrt der renitente
Kohlegegner in seiner rund sechs Meter tiefen Höhle aus. Jonas
Zimmermann, wie ihn seine MitstreiterInnen nennen, ist der letzte Verbliebene aus einem Protestcamp gegen
die Abholzung des Waldes an der Tagebauabbruchkante bei Kerpen-Buir.
Tag und Nacht hatten die Einsatzkräfte an einem Schacht gearbeitet,
um den Mittzwanzigjährigen aus seinem selbst gewählten Erdgefängnis
herauszuholen. Am Freitagmittag schienen ihre Bemühungen von Erfolg
gekrönt zu sein. Nach einem leichten Erdrutsch bekam das
Räumungsteam Sichtkontakt zu ihm. Der Zugriff schien nahe zu sein. Aber anders als gedacht, war Zimmermann nicht an
einem Betonblock gefesselt – und verschwand unerwartet in seinem
selbst angelegten Tunnellabyrinth. „Er hat sich in einen Gang
zurückgezogen, der nicht gesichert ist“, sagte Polizeisprecher Anton
Hamacher. „Er möchte offenbar nicht von uns gerettet werden.“ Um
seinen VerfolgerInnen zu entkommen, soll er auch Stützen weggetreten
haben, mit denen der Tunnel gesichert war. „Wir haben keinen
unmittelbaren Zugriff auf ihn“, so Hamacher frustriert. Akribisch
vorbereitet
Als „praktizierten Klimaschutz von unten“
bezeichnet Zimmermann selbst seine Aktion. „Hier unten ist es
riskant und ungemütlich“, ließ der gelernte Tischler über seine
UnterstützerInnen ausrichten. „Wenn nicht endlich mehr Menschen
selber handeln, um den Braunkohleabbau zu stoppen, macht RWE die
Erde nicht nur ungemütlich, sondern unbewohnbar.“ Er habe sich akribisch vorbereitet und wisse
genau, was er tue, beteuern seine UnterstützerInnen. Seine Kondition
sei gut, auch nach vier Tagen sei Zimmermann noch „bei voller
Kraft“. Er soll mit Proviant für mehrere Wochen ausgestattet sein.
Durch Schläuche wird er mit Sauerstoff versorgt. Der Hambacher Forst war ursprünglich 5.500 Hektar
groß. Doch viel steht von dem einst riesigen Wald inzwischen nicht
mehr. Wie auch etliche Häuser und Dörfer wurde er in den vergangenen
Jahrzehnten verschlungen vom unersättlichen Braunkohletagebau.
Verwüstet wurden ganze Landstriche. Zwischen Aachen, Köln und Mönchengladbach
entstand eine bis zu 450 Meter tiefe Mondlandschaft, die nach den
Plänen des Essener Energiekonzerns RWE bis 2045 eine Fläche von
insgesamt 85 Quadratkilometer umfassen soll. Das rheinische
Braunkohlerevier mit seinen Braunkohle-Tagebauen und Kraftwerken, in
denen der Energieträger verstromt wird, gilt als die
klimaschädlichste Region Europas. Von dem jahrhundertealten Hambacher Forst ist
hingegen nur noch ein schmaler Streifen entlang der Autobahn 4 übrig
geblieben. Zu seiner Rettung hielten seit Mitte April mehrere
Dutzend UmweltaktivistInnen das Waldstück „besetzt“. Sie lebten in
Zelten, errichteten mehrere Baumhäuser und ein keltisches Rundhaus
aus Lehm. Eine Warmwasser-Solardusche und eine mehrgeschossige
Komposttoilette gehörte zu ihrem Camp ebenso wie ein „Umsonstladen“.
Und sie untertunnelten das Gelände, um es der Polizei bei einer
Räumung nicht allzu leicht zu machen. Offenkundig in der Hoffnung,
dass die BesetzerInnen irgendwann von selbst die Lust verlieren,
tolerierte RWE Power monatelang ihr Treiben. Schließlich jedoch
erwirkte das RWE-Tochterunternehmen jedoch beim Landgericht Köln
eine Räumungsverfügung. Am Dienstagmorgen begannen mehrere
Hundertschaften der Polizei das Protestcamp zu räumen, um das
Gelände danach zur Rodung an RWE Power zu übergeben. Die Räumung sei
„bis auf den passiven Widerstand der Waldbesetzer friedlich“
verlaufen, erklärte die Polizei. Zwar wurde ein Beamter während der Bergungsmaßnahmen verletzt, allerdings „ohne Fremdverschulden“, wie die Polizeipressestelle des Rhein-Erft-Kreises betonte. Mehr als 20 WaldbesetzerInnen wurden in Gewahrsam genommen. Nur einen haben sie immer noch nicht. Aufgeben will Jonas Zimmermann nicht so schnell, versichern seine UnterstützerInnen. Der Nervenkrieg geht weiter. |
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