11.12.2012

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taz

 Mieter schlagen in Chorweiler Alarm
Von Pascal Beucker

PROTEST 1.199 Wohnungen sollen in Köln zwangsversteigert werden. Die Bewohner befürchten, dass Spekulanten ihren Häuserkomplex aufkaufen. Einst galt der Hochhauskomplex als Vorzeigeobjekt. Jetzt schimmeln Wände.

Der Protest hat gewirkt, doch das Bangen geht weiter. Mehr als 3.000 Menschen im Kölner Stadtteil Chorweiler blicken in eine ungewisse Zukunft. Im Januar sollen die Hochhäuser, in denen sie leben, zwangsversteigert werden. Die Sorge ist groß, dass doch noch ein Finanzhai den Zuschlag erhält und sie zu Opfern überzogener Renditeerwartungen werden. Dabei sind ihre Wohnverhältnisse schon jetzt trostlos genug.

Es geht um einen Häuserkomplex im Norden Chorweilers, der einst ein Vorzeigeobjekt sein sollte, doch heute als abschreckendes Beispiel sozialdemokratischen Wohnungsbaus gilt. Als die 1.199 Wohnungen, die nun zwangsversteigert werden sollen, 1973 bezugsfertig wurden, versprach der damalige Vermieter, die "Neue Heimat", komfortables Wohnen auch für Menschen mit geringen Einkommen. Doch mit dem Niedergang des gewerkschaftseigenen Wohnungsunternehmens in den 80er Jahren begann für die Mieter eine Odyssee. Die wechselnden Eigentümer hatten nur eines gemeinsam: Sie ließen die Häuser, die wie eine kölsche Variante des ostdeutschen Plattenbaus wirken, verwahrlosen.

Nachdem 2005 die bislang letzte Vermieterin, eine Hamburger Unternehmerin, Insolvenz anmelden musste, stehen die Hochhäuser an der Stockholmer Allee und der Osloer Straße unter Zwangsverwaltung. Hauptgläubigerin ist die landeseigene NRW-Bank. Mehr als die notdürftigsten Reparaturen und Instandsetzungen hat es seitdem nicht gegeben. Die Folgen sind etwa Leitungswasserrohrbrüche, feuchte Decken und Wände, Schimmelpilzkolonien, kaputte Küchen und Bäder.

Jetzt steht für den 18. Januar die Zwangsversteigerung an - und die Mieter fürchten, es könne noch unerträglicher werden: Ein privater Finanzinvestor könne sich die Häuser krallen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Wohnungen weiter verkommen und die Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben müssen, nur damit die Heuschrecken kurzfristige Renditen erzielen können", sagt der Kölner DGB-Chef und SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kossiski.

Tatsächlich sind die zur Versteigerung stehenden Hochhäuser nicht ganz unattraktiv. Die meisten Bewohner sind von staatlichen Transferleistungen abhängig, was pünktliche Mietzahlungen garantiert. Rendite ließe sich damit jedoch nur dann erzielen, wenn man nicht mehr als das unbedingt Nötigste in die Häuser investiert - so wie es der Firmengruppe des umstrittenen Investors Erez Adani vorgeworfen wird, die vor drei Jahren im Kölner Stadtteil Finkenberg 530 Wohnungen aus einer Insolvenzmasse ersteigerte. Sie steht in der Kritik, diese weiter verfallen zu lassen und trotzdem die Mieten zu erhöhen.

Entsprechend schrillten die Alarmglocken, als bekannt wurde, die Adani-Gruppe habe auch an den Häusern in Chorweiler Interesse. Stadteilinitiativen machten mobil, die katholische Pfarrgemeinde warnte in einem Brief an Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters und Landesbauminister Michael Groschek (beide SPD). SPD, Grüne und Linkspartei ergriffen Partei für die Mieter. Ende vergangener Woche gab Adani auf. Über seinen Anwalt teilte er Minister Groschek schriftlich mit, sich nicht mehr an der Zwangsversteigerung beteiligen zu wollen. Er sei in der öffentlichen Debatte diffamiert worden und sehe seinen Ruf beschädigt, soll es in dem Brief heißen.

Nun ist wieder offen, wer bei der Versteigerung das Rennen machen wird. Damit nicht ein anderer Finanzjongleur den Zuschlag bekommt, bemüht sich OB Roters derzeit um die Bildung eines Konsortiums unter der Regie der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG und der Stadt. „Wir werden nicht tatenlos zu sehen, wenn sich sogenannte ‚Heuschrecken‘ in einem ohnehin benachteiligten Stadtteil ausbreiten und ganze Wohnblocks, ohne die notwendigen Sanierungen durchzuführen, nur für die Maximierung ihres eigenen Gewinnes herunterwirtschaften“, verspricht Roters. Offen ist allerdings, wie hoch die finanzielle Schmerzgrenze für ein solches Konsortium liegt. Köln ist hoch verschuldet. Das Mindestgebot liegt bei 28 Millionen Euro.


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