13.12.2012

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taz

 Piraten erzwingen Aufklärung
Von Pascal Beucker

Eine Landesfirma in NRW soll mit Baugeschäften einen Millionenschaden verursacht haben. Nun wurde der zweite Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Wenn er sich schon nicht verhindern lässt, dann stimmt man lieber dafür. Dank der Piratenpartei stimmten am Donnerstag alle Fraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag für die erneute Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem dubiosen Treiben des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB). Es geht um die Verschwendung von Landesgeldern in mehrstelliger Millionenhöhe - und um den Verdacht von Korruption im großen Stil.

Es ist der zweite Versuch, parlamentarisch Licht in die zwielichtigen Aktivitäten des landeseigenen Immobilienkonzerns während der Amtszeit der ehemaligen schwarz-gelben Koalition zu bringen. Konkret soll der Untersuchungsausschuss sechs Komplexe unter die Lupe nehmen: den Neubau des Landesarchivs NRW in Duisburg, den Erwerb des Vodafone Hochhauses in Düsseldorf und des Schlosses Kellenberg bei Jülich, den geplanten Verkauf des Landesbehördenhauses in Bonn, den Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk sowie den geplanten und dann wieder verworfenen neuen Campus der Fachhochschule Köln in der Kölner Südstadt.

 Untersucht werden soll eine Reihe „kaufmännisch sinnloser Entscheidungen“, wie es der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Tilman Baumert diplomatisch formuliert. Seit 2010 ermittelt seine Behörde wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit gegen inzwischen mehrere Dutzend Beschuldigte, darunter den entlassenen BLB-Geschäftsführer Ferdinand Tiggemann. Im großen Stil soll er Geschäftsinterna verraten und im Gegenzug Schmiergelder kassiert haben, vermuten die Ermittler. Tiggemann bestreitet die Vorwürfe.

Fakt ist, dass dem BLB unter mysteriösen Umstanden regelmäßig Grundstücke von privaten Investoren erst weggeschnappt wurden und dann mit kräftigen Aufschlägen an den BLB weiterverkauft. Ein Beispiel ist der Neubau des Landesarchivs NRW im Duisburger Binnenhafen, bei dem die Gesamtkosten von ursprünglich kalkulierten 51,7 Millionen Euro auf mehr als 190,4 Millionen Euro explodiert sind. Eine der Ursachen: Ohne nachvollziehbare Gründe unterließ es der BLB im Frühjahr 2007, die für den Bau benötigten Grundstücke über eine stadteigene Duisburger Gesellschaft zu einem Preis von 3,85 Millionen Euro zu erwerben. Die Stadt verfügte seinerzeit über entsprechende Vorkaufsrechte. Stattdessen ergatterten die Essener Immobilienunternehmer Stephan Kölbl und Marcus Kruse die begehrten Flächen, um sie eineinhalb Jahre später für einen Gesamtpreis von 29,9 Millionen Euro an den BLB weiterzuverkaufen.

Fünf Monate um die Arbeit zu beginnen

Der erste Anlauf, solche Merkwürdigkeiten parlamentarisch aufzuklären, endete im März dieses Jahres mit der überraschenden Selbstauflösung des Landtags. Der im Mai 2011 eingesetzte BLB-Untersuchungsausschuss hatte bis dahin nicht viel zu Wege gebracht: zu komplex die Materie, zu umfangreich das Aktenmaterial, zu gering der Aufklärungseifer mancher Ausschussmitglieder.

Ganze fünf Monate benötigte der Ausschuss, um sich überhaupt zu konstituieren. Weitere fünf Monate dauerte es, bis die ersten beiden Zeugen vernommen werden konnten. Das war’s dann auch. Dabei hätte es insbesondere die CDU gerne belassen. "Es gibt keine Fraktion, die das Ding noch haben will", jubilierte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Biesenbach, der den ersten U-Ausschuss mit wenig Begeisterung geleitet hatte.

Doch Biesenbach hatte die Rechnung ohne die Piratenpartei gemacht. Die Parlamentsnewcomer setzten den BLB-Skandal wieder auf die Tagesordnung - und brachten die anderen Fraktionen damit erfolgreich unter Zugzwang. „Wir sind es den Bürgern schuldig, sämtliche Vorgänge lückenlos aufzuklären“, sagte Dietmar Schulz, rechtspolitischer Sprecher der Piratenfraktion. „Schließlich geht es um Milliarden Steuergelder beim Sondervermögen BLB und wir müssen unserem Kontrollauftrag gerecht werden.“

Zum jetzt beschlossenen Untersuchungsauftrag gehört auch, inwieweit die Struktur des BLB “die festgestellten Missstände ermöglichen bzw. begünstigen konnte“. Ein heikler Punkt für die SPD. Denn der BLB wurde im Jahr 2000 unter der Ägide des damaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und seines Finanzministers Peer Steinbrück ins Leben gerufen.

Die beiden Sozialdemokraten glaubten, die Auskoppelung des gesamten Liegenschaftsvermögens vom übrigen Landesvermögen in einen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Landesbetrieb würde jährliche Gewinne von bis zu 40 Millionen Euro in die klamme Landeskasse spülen. Ein fataler Irrtum: Tatsächlich erwirtschaftete der BLB bislang kräftig Miese, alleine im Jahr 2010 rund 145 Millionen Euro.


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