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 Redebeitrag auf der Kundgebung „Für ein weltoffenes Bonn – gegen Rassismus!“ am 5. Mai 2013 in Bonn-Bad-Godesberg
Von Pascal Beucker

Pascal BeuckerEs ist für mich als Journalist eine etwas ungewohnte Rolle, heute hier zu sprechen. Normalerweise berichte ich über Veranstaltungen wie diese und stehe nicht selbst auf der Bühne. Doch in diesem Fall bin ich der Einladung der Organisatoren sehr gerne gefolgt, um gemeinsam gegen „Pro NRW“ zu demonstrieren.

Sie nennen sich eine „nonkonforme Bürgerbewegung“. Sie bezeichnen sich als „freiheitlich-konservative Oppositionskraft“ oder auch als „soziale Heimatpartei“. Sie behaupten, sie seien ein „rechtsdemokratisches Gegenmodell zu den verbrauchten Altparteien“. Sie geben vor, nur besorgte „Islamkritiker“ zu sein. Die sogenannte „Pro-Bewegung“, die hier in Bad Godesberg heute Mittag auf der anderen Seite dieses Platzes ihre Kundgebung abhalten will, mag sich als vieles bezeichnen. Doch nichts von alledem stimmt. Denn hinter den „Pro“-Gruppen verbergen sich keine harmlosen Biedermänner, sondern gefährliche Brandstifter.

Als taz-Korrespondent habe ich vor einem Jahr die Geschehnisse vor der König-Fahd-Akademie hautnah miterlebt. Auch ich musste mich vor dem Steinhagel in Sicherheit bringen. Ich habe auch die verletzten Polizisten gesehen. Ich war geschockt von dem Ausbruch von Gewalt. Aber ich war auch maßlos wütend. Wütend darüber, dass fanatische Salafisten dafür gesorgt haben, dass die Strategie von „Pro NRW“ aufgegangen ist. Denn diese Eskalation war gewollt. Sie war zynischer Bestandteil einer Landtagswahlkampagne. Parteichef Markus Beisicht hatte es angekündigt: Der Wahlkampf von „Pro NRW“ werde auf „maximale Provokation“ ausgelegt sein. „Bis an die Schmerzgrenze“ sollte es gehen, versprach Beisicht seinen Anhängern. Und genau das ist auf erschreckende Weise geschehen.

Mit sehr vielem, was der Kölner Publizist Ralph Giordano in den letzten Jahren gesagt und geschrieben hat, stimme ich ausdrücklich nicht überein. Aber Giordano hat recht, wenn er sagt, die Aktivisten der „Pro-Bewegung“ und der radikalislamistischen Szene seien „Brüder und Schwestern im totalitären Ungeist“. Denn die einen wie die anderen sind Feinde einer demokratischen, toleranten und weltoffenen Gesellschaft. Von dem Holocaust-Überlebenden Giordano stammt übrigens auch eine der treffendsten Charakterisierungen der „Pro-Bewegung“: Sie sei „nichts anderes als eine zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus“.

Zu diesem deutlichen Urteil ist Giordano aufgrund seiner Erfahrungen gekommen, die er Anfang der 90er Jahre mit den Vorläufern der „Pro-Bewegung“ in Köln gemacht hat. Damals nannten sich Markus Beisicht & Co. noch „Deutsche Liga für Volk und Heimat“. Diese unappetitliche „Republikaner“-Rechtsabspaltung saß seinerzeit im Kölner Stadtrat und sorgte unter anderem damit für Schlagzeilen, dass sie ein „Kopfgeld“ von 1.000 Mark zur „Ergreifung“ einer Roma-Frau aussetzte, die aus Angst vor ihrer Abschiebung ins jugoslawische Kriegsgebiet versteckt in Köln lebte. Es ging ziemlich rund damals: Im Büro der „Deutschen Liga“ in Köln-Deutz fanden „regelmäßige Saufgelage“ statt, bei denen man sich, so berichteten es Anwohner, „mit 'Heil-Hitler' und Sprüchen wie 'Türkensau muss raus' voneinander verabschiedete“. Bei der Kommunalwahl 1994 flogen die bräunlichen Kameraden glücklicherweise hochkant wieder aus dem Rat - nicht zuletzt aufgrund ihrer allzu offensichtlichen Nähe zur Neonaziszene.

Die wahlpolitische Erfolglosigkeit der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ ist der ausschlaggebende Grund, warum es heute die „Pro-Bewegung“ gibt. Denn ihre Kölner Kader erkannten, dass Voraussetzung für eine erfolgreichere rechtsextreme Politik ein unverfänglicheres Erscheinungsbild ist. Mit einem braunen Bürgerschreckimage lässt sich eben nur sehr begrenzt an der Wahlurne punkten. Deswegen setzten sie auf einen Strategiewechsel. Die sogenannte „Bürgerbewegung Pro Köln“ sollte ihnen den Anstrich einer harmlosen parteiunabhängigen lokalen Wählervereinigung verschaffen. „Pro Köln“ ist die Keimzelle und bis heute das Zentrum der „Pro-Bewegung“. Die großen Vorbilder sind der belgische Vlaams Belang und vor allem die österreichische FPÖ.

Erstmalig trat „Pro Köln“ bei der Kölner Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2000 öffentlich in Erscheinung. Ihren Kandidaten präsentierte die selbsternannte „Bürgerbewegung“ damals als „kölschen Haider“. Allerdings verschwand er kurz darauf Richtung NPD. Soetwas gibt es bis heute: Trotz aller formaler Abgrenzungsbekundungen findet immer wieder ein reger Personalaustausch zwischen den diversen Rechtsaußenvereinen statt. Zwischen „Pro NRW“, der DVU, den „Republikanern“ und der NPD gab und gibt es ein munteres Hin und her, mal in diese, mal in jene Richtung. Das weist auf die großen ideologischen Schnittmengen hin. Das reicht bis hin zu den militant neonazistischen „Freien Kräften“, zu denen es beispielsweise inzwischen den vormaligen „Pro“-Jugendbeauftragten für das Rheinland verschlagen hat.

Den führenden Funktionären der „Pro-Bewegung“ ging es denn auch nie um einen ideologischen Bruch mit ihrer rechtsextremistischen Vergangenheit, sondern vielmehr nur darum, einen Weg zu finden, rechtsextreme Positionen zu vertreten, ohne als rechtsextrem zu gelten. Genau diesem Zweck dient auch das, was sie „Islamkritik“ nennen. Sie ist ein Trick, eine Camouflage.

Es geht darum, Fremdenfeindlichkeit zu maskieren. Statt einschlägig belasteter völkischer Losungen wie „Deutschland den Deutschen“ oder „Ausländer raus!“ lauten die Parolen bei den „Pro“-Gruppen nun „Gegen Islamisierung und Überfremdung“ oder „Abendland in Christenhand“. Doch sie meinen das gleiche. Mit neuer Kostümierung soll dem alten Hass auf Migranten und Flüchtlinge eine frische, scheinbar anständige Legitimation verliehen werden. In bemerkenswerter Offenheit hat das „Pro NRW“-Chef Beisicht der rechtsgestrickten „Jungen Freiheit“ erklärt. Sie hätten eine „Marktlücke besetzt“, und es sei damit „der Einbruch in Schichten gelungen“, die sie „sonst nicht erreicht hätten.“

Gerade das macht es so wichtig, diesen Rassisten im Anzug die Maske vom Gesicht zu reißen. Anders als sie behaupten, geht es den „Pro“-Gruppen weder um Religionskritik noch gar um die Verteidigung der Meinungsfreiheit, sondern schlicht und einfach um Hetze. Ob es gegen Muslime geht oder gegen Roma und Sinti, ob sie gegen Drogenkranke oder Prostituierte wettern, ob sie Front machen gegen Wehrmachtsdeserteure oder Schwule und Lesben als „Homo-Lobby“ diffamieren, ob sie Demokraten als „Blockwarte der Political Correctness“ verunglimpfen oder ob sie unliebsame Journalisten als „Schreibtischtäter“ titulieren: Die „Pro“-Gruppen hetzen gegen alle, die anders denken, glauben oder leben, als es ihnen beliebt. Sie nur als „Rechtspopulisten“ zu bezeichnen, wäre eine Verharmlosung. Die „Pro“-Gruppen sind verfassungsfeindlich, sie haben antidemokratische Ziele und sie betreiben propagandistische Brandstiftung. Diesen rechten Hasspredigern dürfen wir nicht den Raum für ihre menschenverachtende Propaganda lassen. Deswegen freue ich mich, heute hier zu sein. Vielen Dank für Ihre und Eure Aufmerksamkeit.


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