68. Jahrgang / Ausgabe 11 / 14.03.2013 |
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Geld und Grundgesetz |
Von Pascal Beucker |
Die Linke will Staatsleistungen für
Kirchen streichen Die Linkspartei hat gerade einen Gesetzentwurf in
den Bundestag eingebracht, mit dem ein seit 94 Jahren bestehender
Verfassungsauftrag endlich erfüllt werden soll. Die Staatsleistungen
an die Kirchen sind »ein Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert«,
sagt Raju Sharma, religionspolitischer Sprecher der Linken im
Bundestag. Die Zahlungsverpflichtungen an die beiden
Großkirchen leiten sich – anders beispielsweise als die an die
jüdische Gemeinschaft – unter anderem aus dem
Reichsdeputationshauptschluss von 1803 oder dem Bayerischen
Konkordat von 1817 ab. Es handelt sich um ein unübersichtliches
Gemisch aus Ansprüchen, die einerseits aus der Säkularisierung
kirchlicher Güter, andererseits aber auch aus schnöden Deals der
Fürsten und Könige mit den Kirchen resultieren: weltliche Macht
durch kirchliche Unterstützung.
GRUNDGESETZ
Mit dem Ende des Kaiserreichs sollte damit Schluss sein. »Die auf
Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden
Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die
Landesgesetzgebung abgelöst«, heißt es in der Weimarer Verfassung
von 1919. »Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.« Aus dem
Reich wurde die Bundesrepublik, aus der Weimarer Verfassung das
Grundgesetz. Der Verfassungsauftrag blieb. Doch geschehen ist bis
heute nichts. Eine Mehrheit für den Antrag der Linkspartei ist
nicht in Sicht: Nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung
soll es beim Status quo bleiben. »Die finanziellen und
volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Ablösung sind nicht zu
unterschätzen«, beantwortete sie unlängst eine Kleine Anfrage des
Linkspartei-Abgeordneten Sharma. Insoweit werde »für den
Bundesgesetzgeber kein Handlungsbedarf gesehen«. Seit Gründung der
Bundesrepublik flossen alleine für kircheninterne Personalkosten
bisher rund 14,83 Milliarden Euro vom Staat an die Kirchen. Die
Linkspartei schlägt nun »eine einmalige Entschädigungszahlung in
Höhe des Zehnfachen des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses
Gesetzes gezahlten Jahresbeitrags« vor. Das wären derzeit rund 4,75
Milliarden Euro. Carsten Frerk spricht von einem »üblen Trick«.
Der Berliner Politikwissenschaftler warnt davor, die
Staatsleistungen an die beiden Großkirchen mit denen an den
Zentralrat der Juden gleichzusetzen. Während die Gelder an die
evangelische und katholische Kirche gerade heftig diskutiert werden,
haben die Leistungen an die jüdische Seite eine »völlig klare
Begründung, die der jetzigen Verfassungsordnung entspricht«. So gebe es, sagt Frerk, der auch das Violettbuch
Kirchenfinanzen geschrieben hat, eine eindeutige, staatsvertraglich
festgelegte Zweckbindung, nach der sie »zur Erhaltung und Pflege des
deutsch-jüdischen Kulturerbes, zum Aufbau einer jüdischen
Gemeinschaft und zu den integrationspolitischen und sozialen
Aufgaben des Zentralrats in Deutschland beitragen« sollen.
REICHSKONKORDAT In ihrer zu Protokoll
gegebenen Rede wies die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp den Antrag
mit Verweis auf das Reichskonkordat von 1933 zurück: Falls die
Staatsleistungen abgelöst werden sollten, werde »vor der
Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze
rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein
freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden«, zitierte sie
aus dem am 20. Juli 1933 zwischen Nazideutschland und dem Vatikan
geschlossenen Staatskirchenvertrag. »So pfleglich ging man damals
jedenfalls miteinander um«, lobte Philipp. Was die Linkspartei nun
vorschlage, scheine ihr demgegenüber »weit weg von einem
›freundlichen Einvernehmen‹ zu sein«. Die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese,
Fraktionsbeauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften, sagte,
es gehe nicht um eine Privilegierung oder Bevorzugung der Kirchen,
»sondern um geltendes Recht und um geltende Verträge«. Es gebe ja
»inzwischen auch Staatsleistungen für die jüdischen Landesgemeinden
und für den Zentralrat der Juden in Deutschland«. Solche Vergleiche hält Carsten Frerk für grundfalsch, die Verfassung sei eindeutig. Dennoch bleibt der Politologe skeptisch: »Es wird sich nichts tun«, sagt er. Die Kirchenlobbyisten seien zu einflussreich. Der Linkspartei-Antrag liegt nun erst mal im Innenausschuss zur weiteren Beratung. |
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