24.01.2013

Startseite
Jungle World

 Eine Renaissance
Von Pascal Beucker

Die Linkspartei und die Piratenpartei wurden von den Wählern in Niedersachsen zu Splittergruppen degradiert.

So spannend der Wahlabend in Niedersachsen am Sonntag auch war, das bedeutendste Ergebnis stand bereits mit der Prognose um 18 Uhr fest: Das politische System in der Bundesrepublik »normalisiert« sich wieder. Das alte Vier-Parteien-Parlament erfährt seine Renaissance. Die Wahllokale hatten gerade erst 79 Minuten geschlossen und wer künftig in Niedersachsen regieren wird, war noch völlig unklar, da hatte Sigmar Gabriel bereits in den Bundestagswahlkampfmodus umgeschaltet: »Der Abend zeigt: Jede Stimme für Linke und Piraten ist eine verlorene Stimme«, twitterte der SPD-Vorsitzende. »Wer den Richtungswechsel will, muss SPD oder Grüne wählen!« Nicht nur aufgrund ihres denkbar knappen Wahlsiegs hätte es für die beiden Parteien nicht besser laufen können. Die Generalprobe ist gelungen. Die Inszenierung eines Lagerwahlkampfes hat funktioniert.

Während taktisch wählende Unionsanhänger der FDP das parlamentarische Überleben wohl auch bei der Bundestagswahl sichern werden, hätte das Wahljahr für »Die Linke« und die Piratenpartei nicht schlechter beginnen können. Die niedersächsischen Wähler haben sie zu Splittergruppen degradiert: 3,1 Prozent für die eine, 2,1 Prozent für die andere – Wahlergebnisse nah der Wahrnehmungsgrenze. »Wir können die anderen Parteien jetzt vor uns hertreiben«, gab sich Bernd Schlömer, der Vorsitzende der Piratenpartei, am Tag danach zweckoptimistisch. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich das Schicksal der schwedischen Schwesterpartei wiederholen wird, die nach ihrem kurzen Höhenflug wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Ein großer Verlust wäre das nicht. Der aberwitzige Hype um die vermeintlich so unideologische Laienspielschar, die im vorigen Jahr zum Liebling der Medien aufstieg und Protestwähler jeglicher Couleur anzog, ist jedenfalls vorbei. Für die Linkspartei sieht es nicht viel besser aus. Nach dem katastrophalen Abschneiden in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein manifestiert das Desaster von Hannover das wohl kaum mehr abwendbare Scheitern ihres Versuchs, eine Partei links der SPD bundesweit zu etablieren.

Die Linkspartei hat ihre Ausstrahlung auf abtrünnige klassisch sozialdemokratische Wählerschichten verloren. Entgegen der Hoffnungen des traditionslinken Flügels hat auch Sahra Wagenknecht den Absturz nicht verhindern können. Sie ist kein Ersatz für Oskar Lafontaine, der mit seiner durch und durch westgeprägten Biographie jene proletarischen und sozial deklassierten Gruppen in der alten BRD angesprochen hat, die die alte PDS mit ihrem Post-DDR-Mief nie hatte erreichen können. Den Aufbau einer modernen, also undogmatischen, emanzipatorischen und ökologischen linkssozialistischen Partei ermöglichte Lafontaine jedoch nicht. Allerdings hatten auch seine innerparteilichen Gegner, jene graue Garde »realpolitischer« Ex-FDJ-Funktionäre, die in den östlichen Landesverbänden den Ton angibt, nie ein Interesse daran. Inzwischen ähnelt die Linkspartei wieder dem, was die PDS einst war: eine ostdeutsche Regionalpartei mit einem kleinen Beifang im Westen. Für den Wiedereinzug in den Bundestag mag das knapp reichen. Zu mehr aber nicht. Daran ändert auch ein nach innerparteilichem Proporz austariertes achtköpfiges »Team für den Politikwechsel« mit Gysi und Wagenknecht an der Spitze nichts.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.