13.06.2013

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Jungle World

 Unerwünschte Mitläufer
Von Pascal Beucker

Ein Wagen der rechtsextremen »Bürgerbewegung Pro Köln« auf dem Kölner CSD? Das erscheint eigentlich undenkbar. Doch wegen des deutschen Versammlungsgesetzes könnte es tatsächlich dazu kommen.

Die Provokation ist gelungen. Mit ihrer Ankündigung, am diesjährigen Cologne Pride teilzunehmen, sorgt die »Bürgerbewegung Pro Köln« für gehörige Aufregung in der schwullesbischen Szene. Die Frage, ob die rechtsextremistische Wählervereinigung von der CSD-Parade am 7. Juli ausgeschlossen werden kann, dürfte ein Fall für die Gerichte werden – mit ungewissem Ausgang.

Bislang konnte der selbsternannten »Bürgerbewegung« nicht gerade eine Liebe zum Christopher Street Day nachgesagt werden. Die »CSD-Saison«, so empörte sich ihre Arbeitsgemeinschaft »Christen Pro Köln« im Jahr 2008, sei »die Jahreszeit, in der Berufsschwule und Eiferer von Stadt zu Stadt reisen, um dort an Maskeradeumzügen teilzunehmen oder in freizügiger Kleidung für angebliche ›Rechte von Homosexuellen‹ zu werben«. Mal versuchte »Pro Köln«, gegen einen solchen »Sittenverfall« eine »Mahnwache der Anständigen« zu organisieren, mal brachte die Wählervereinigung eine Resolution in den Kölner Stadtrat ein, mit der offizielle Vertreter der Stadt aufgefordert wurden, »sich nicht an einem solchen Spektakel zur einseitigen finanziellen Förderung sexueller Minderheiten zu beteiligen«.

Nun wollen sich die Rechtsextremen selbst an dem Spektakel beteiligen, unter dem Motto »Proud to be Kölsch« und mit einem eigenen Paradewagen, der mit einem großen »Moscheeverbotsschild« ausstaffiert sein soll. »Mit ›Pro Köln‹ wird es zurück zu den Wurzeln des CSD gehen, zum politischen Kern sozusagen: Gegen die Bedrohung oder sogar körperliche Angriffe auf Homosexuelle, die sich heute vor allem vor zugewanderten islamistischen Fanatikern in unseren Großstädten fürchten müssen«, kündigte Markus Wiener an, der Geschäftsführer der Stadtratsfraktion von »Pro Köln«.

Minimaler Aufwand, größtmögliche öffentliche Wirkung – so betreibt die "Pro"-Bewegung ihre Kampagnen. Auch die angekündigte Teilnahme an der CSD-Parade ist eine billige Nummer und würde nur einen Solidaritätsbeitrag in Höhe von 270 Euro kosten. Der Cologne Pride gilt als der größte CSD Europas. Zwischen 600 000 und eine Million Zuschauer verfolgten in den vergangenen Jahren die schwullesbische Demonstration mit ihren mehr als 20 000 Teilnehmern. Dass daran auch eine Gruppe teilnehmen könnte, die der 90jährige Publizist und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano als »eine zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus« charakterisiert hat, ist eigentlich undenkbar. Dennoch benötigte der Veranstalter, der Kölner Lesben- und Schwulentag (Klust), vom Zeitpunkt der Anmeldung an mehr als einen Monat, bis er am Dienstag vergangener Woche auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung den Ausschluss von »Pro Köln« aus der CSD-Parade beschloss.

Auf den ersten Blick erscheint es schwer verständlich, dass in Köln wochenlang über den richtigen Umgang mit »Pro Köln« beraten wird, während die Veranstalter des Berliner CSD ohne weiteres per Vorstandsbeschluss die CDU von ihrer Parade am 22. Juni ausgeschlossen haben. Schließlich steht außer Zweifel, dass zur Ideologie von »Pro Köln« auch die Homophobie gehört. »Neben den abwertenden Äußerungen zu Ausländern oder Personen mit Migrationsgeschichte agitiert ›Pro Köln e. V.‹ auch gegen sexuelle Minderheiten«, heißt es sogar im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht. »Homosexuelle werden subtil verächtlich gemacht und durch diffamierende Formulierungen herabgesetzt.« Das Wettern gegen die »Homo-Lobby« gehöre zum Standardrepertoire, so der Bericht.

Doch der eine ist mit dem anderen Fall nur schwer vergleichbar. Der Berliner Beschluss würde einer juristischen Überprüfung wohl kaum standhalten, und das muss er auch gar nicht: Die Organisatoren des Berliner CSD wussten ganz genau, dass die CDU nicht klagen würde – zumal die Partei ja dank der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) trotzdem vertreten ist. Das sieht in Köln ganz anders aus. »Pro Köln« ist höchst klagefreudig. Die Kölner CSD-Veranstalter mussten also entscheiden, ob sie es riskieren wollen, dass ein von ihnen beschlossener Ausschluss gerichtlich für nichtig erklärt wird.

Das Problem ist das deutsche Versammlungsgesetz. In einem vom Klust in Auftrag gegebenen Gutachten kommt der frühere Bonner Polizeipräsident Michael Kniesel zu dem Schluss, dass es bei einer politischen Demonstration kaum eine Handhabe gibt, den Teilnehmerkreis zu beschränken. Deshalb plädierten mehrere Redner auf der Mitgliederversammlung des Klust dafür, einer juristischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. »Sie werden sich einklagen können, das ist meine Prognose«, warnte der Rechtsanwalt Markus Danuser. »Pro Köln« würde im schlimmsten Fall »die Möglichkeit haben, den CSD in die Knie zu zwingen«. Danuser plädiert gegen einen formalen Ausschluss, weil er befürchtet, dass es »Pro Köln« gelingen könnte, der CSD-Parade auf dem Gerichtsweg den Status als politische Demonstration zu nehmen. Das hätte gravierende finanzielle Folgen. Genau darauf dürften es die Rechtsextremen abgesehen haben. »Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass es hier um die Zukunft des CSD in Deutschland geht«, tönt bereits Tony Xaver Fiedler, Jugendbeauftragter und Leiter des »CSD-Organisationsteams« von »Pro Köln«. Es gebe zwei Möglichkeiten: »Bleibt der CSD eine politische Veranstaltung, muss man uns teilnehmen lassen. Wird der politische Charakter aberkannt, dann kann keiner der Veranstalter sich die Organisation einer kommerziellen Veranstaltung in diesem Ausmaß leisten.«

Doch nach intensiver Diskussion will es Kölns schwullesbische Szene darauf ankommen lassen. »Wir brauchen keine rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Gruppierungen im Kampf gegen Homo- und Transphobie«, heißt es in der ohne Gegenstimmen bei wenigen Enthaltungen beschlossenen Erklärung des Klust. Der Ausschluss der selbsternannten »Bürgerbewegung« sei unabhängig von der rechtlichen Lage »ein politisch nötiges Signal, das wir setzen müssen«, fasste Sabine Arnolds vom Kölner Lesben- und Schwulenverband (LSVD) die vorherrschende Stimmung zusammen. Von einer »Gewissensentscheidung« sprach Dirk Bachhausen von der schwullesbischen Schützenbruderschaft »St. Sebastianus und Afra«. Der Kölner DGB-Vorsitzende Andreas Kossiski, als Vertreter des Bündnisses »Köln stellt sich quer« eingeladen, sprach sich ebenfalls dafür aus, »klare Kante zu fahren«. Der Gewerkschafter erinnerte an den Ursprung des CSD, den Aufstand gegen Polizeiwillkür 1969 in der Christopher Street im New Yorker Stadtviertel Greenwich Village: »Wenn die Leute damals überlegt hätten, juristische Probleme zu klären, würdet ihr alle hier nicht sitzen.«

Gleichwohl bereitet sich der Klust bereits auf das Schlimmste vor. Falls es »Pro Köln« gelingen sollte, sich einzuklagen, »dann werden wir pfiffig damit umgehen«, sagte Uli Breite, FDP-Fraktionsgeschäftsführer im Kölner Stadtrat und ehemaliger Vorsitzender des schwul-lesbischen Sportvereins FC Janus. »Zum Glück können die ja nicht selbst bestimmen, wo sie in der Parade mitgehen.« Denkbar sei, dass »Pro Köln« ein Platz ganz am Ende des Umzugs zugewiesen werde, vor oder hinter dem Müllwagen. Dass sie dann weit kommen würden, ist wenig wahrscheinlich. Nicht nur Antifagruppen haben angekündigt, im Fall der Fälle den Wagen von »Pro Köln« zu blockieren. »Möglicherweise wäre das die erste Sitzblockade, die ich mitmache«, kündigte Michael Schuhmacher, der Geschäftsführer der Aidshilfe, auf der Mitgliederversammlung an.


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