14.11.2013 |
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Die bessere FDP |
Von Pascal Beucker |
Bei der Führung der Grünen hat es einen Generationenwechsel gegeben. Viel geändert hat sich sonst seit dem Wahldebakel nicht. Die neue Partei- und Fraktionsführung steht für Kontinuität. Der Leichnam ist noch warm, da hat
bereits die Leichenfledderei begonnen. Die Grünen haben den
Liberalismus für sich entdeckt. »Wir wollen zeigen, dass der
Deutsche Bundestag mit der FDP nur eine neoliberale Partei
verloren hat, nicht aber eine Kraft für einen
verantwortungsvollen Liberalismus«, beschloss die Partei auf
ihrer Bundesdelegiertenkonferenz Mitte Oktober. Der neu
gewählte Bundestagsfraktionsvorsitzende Anton »Toni«
Hofreiter sagte, er wolle seinen »Beitrag dazu leisten, dass
wir unser liberales Profil schärfen«. Er selbst sehe sich
»als Linksliberalen«, so der Nachfolger Jürgen Trittins. Die
ebenfalls neu gewählte Bundesvorsitzende Simone Peter teilte
mit, sie verstehe die Grünen als »moderne Partei der linken
Mitte«. Sie ersetzt Claudia Roth in der Parteiführung.
Hofreiter und Peter sind die neuen Hoffnungsträger des
linken Parteiflügels. Sind die Grünen nach rechts gerückt? Das
wäre ein Missverständnis, vergleichbar mit der grob
verzerrten Darstellung, die Grünen seien im
Bundestagswahlkampf zu stark nach links gedriftet. Ein
Linienwechsel fand nicht statt, nur die Tonlage hat sich
geändert. Der rechte Flügel des Realo-Lagers um Winfried
Kretschmann und Boris Palmer wollte die Gunst der Stunde
nutzen, um die Grünen strikt wirtschaftsliberal auszurichten
und ihnen die noch verbliebenen progressiven Flausen
auszutreiben. Das ist ihnen zumindest vorerst nicht
gelungen: Mit ihrer interessengeleiteten Analyse, die die
vermeintlich allzu linke Ausrichtung der Partei für das
Wahldesaster verantwortlich machte, scheiterten sie auf dem
Parteitag im Berliner Velodrom. Ebenso gescheitert ist der
Versuch, ihre Repräsentantin Kerstin Andreae gegen Katrin
Göring-Eckardt im Fraktionsvorsitz durchsetzen. Es gibt
offenkundig sowohl an der Parteibasis als auch in der
Bundestagsfraktion weiterhin eine Mehrheit, die kein
Interesse an einer innerparteilichen Zerreißprobe hat,
sondern lieber an der sorgsam austarierten Balance zwischen
den Parteiflügeln festhalten will.
Der »Burgfrieden«, den die verbliebenen
»pragmatischen« Parteilinken nach
der verlorenen Bundestagswahl 1990 und dem Ausstieg der
Ökosozialisten und Radikalökologen mit den Realos um Joschka
Fischer schlossen, hat Bestand. Die Wahl von Peter zur neuen
Parteivorsitzenden an der Seite Cem Özdemirs und von
Hofreiter, der jetzt mit Göring-Eckardt die
Bundestagsfraktion anführt, ist ein Beleg dafür. Die Grünen
sind, was sie auch vorher schon waren: eine Partei des
modernen, städtischen Bürgertums – ökologisch bewusst,
bürgerrechtlich engagiert und marktwirtschaftlich
orientiert, mit einer gewissen sozialen Ader gegen das
schlechte Gewissen. Kretschmann & Co. hätten ihre Partei
gerne zu einer besseren CDU gemacht. Tatsächlich ist sie
eine Art bessere FDP geblieben – was Grüne früher nicht
gerne hörten. Nachdem sie im Wahlkampf erfolgreich als
Partei der Bevormundung und der Verbote diffamiert wurden,
hat sich etwas in der Rhetorik geändert. Jetzt ist der
Begriff »Freiheit« in aller Munde. »Aufgabe von Politik aus
grüner Sicht ist es, die Freiheit des einen mit der Freiheit
des anderen zusammenzubringen, für jede und jeden die
größten Entfaltungschancen zu ermöglichen«, schrieb etwa
Hofreiter in einem Gastbeitrag für
Zeit
Online. Der ebenfalls der Parteilinken angehörende Robert Zion sieht »Freiheit als grüne Aufgabe« und propagiert »einen verantwortungsvollen Liberalismus«. Dabei schwärmt er nicht nur von den durchaus kapitalismuskritischen »Freiburger Thesen«, die die FDP zwei Jahre nach Beginn der sozialliberalen Koalition 1971 verabschiedete. Auch »so manche programmatischen Einwürfe zum Umweltschutz, zur Frauenemanzipation, zu den Bürgerrechten, zur Besteuerung ungleich verteilter Vermögenszuwächse und zur Reform der sozialen Sicherung der FDP aus den siebziger Jahren« läsen sich »wie frühe Versuche eines grünen Konzepts«, schreibt das Mitglied des Landesvorstands der Grünen in Nordrhein-Westfalen in seiner Streitschrift »Noch eine Chance für die Grünen«. Ob das nun für die damalige FDP spricht oder gegen die heutigen Grünen: Falsch liegt Zion damit nicht. Nach der Bundestagswahl haben sich die
Grünen teilerneuert. Die Generation 55plus hat Platz
gemacht. Mit Jürgen Trittin, Claudia Roth und Renate Künast
haben sich drei Grüne aus der ersten Reihe zurückgezogen,
die politisch in den innerparteilichen Auseinandersetzungen
der achtziger Jahre sozialisiert wurden. Weil sie mit ihrem
Habitus an eine rebellischere Zeit erinnern, sind
insbesondere Trittin und Roth in der bürgerlichen
Öffentlichkeit Reizfiguren geblieben, die in bestimmten
Kreisen erstaunliche Hassgefühle hervorrufen. Dabei steht
ihre anpassungsfähige politische Praxis längst in einem
fundamentalen Widerspruch dazu.
Mit Peter und Hofreiter sind nun zwei Jüngere
an die Spitze gerückt. Die beiden
Doktoren der Biologie dürften bei der spießbürgerlichen
Klientel weniger Emotionen hervorrufen. Die neue Partei- und
Fraktionsführung steht für Kontinuität. Daran ändert auch
nichts, dass die Grünen erstmals auf Bundesebene
Sondierungsgespräche mit der Union geführt haben. Im
Gegenteil: Auch bisher galt es zumindest auf Länderebene als
stillschweigender Konsens, dass koaliert wird, mit wem es im
konkreten Fall geht. So hatte die Parteilinke Peter – deren
Mutter Brunhilde (SPD) von 1985 bis 1991 dem Kabinett des
damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar
Lafontaine angehörte – keine größeren ideologischen Probleme
damit, bis zum vergangenen Jahr als Umweltministerin in der
schwarz-gelb-grünen Koalition im Saarland zu dienen. Auf Bundesebene traute sich die Partei
eine solche Offenheit nicht zu. Die Fixierung der Grünen auf
Rot-Grün war der Preis des »historischen Kompromisses«
zwischen Realos und »konstruktiven« Linken Anfang der
neunziger Jahre. Damit lieferten die beiden
Mehrheitsströmungen ihre Partei, die sich einst in
Opposition zur SPD Helmut Schmidts gegründet hatte, auf
Gedeih und Verderb dessen Enkeln aus. Vor allem die
Parteilinken um Trittin glaubten, dass die offensive
Proklamierung der »Eigenständigkeit« Stimmenverluste in der
rot-grünen Wechselwählerschaft bescheren könnte. Stattdessen
setzten sie auch bei der Bundestagswahl 2013 alles auf jenen
aberwitzigen rot-grünen »Lagerwahlkampf«, der durch den
definitiven Ausschluss von Rot-Grün-Rot von Seiten der SPD
zum Scheitern verurteilt war, weil er keine reale
Machtoption beinhaltete. Das soll nicht noch einmal passieren: »Andere Koalitionsoptionen müssen grundsätzlich möglich sein – sei es Rot-Grün-Rot oder Schwarz-Grün«, beschloss der grüne Bundesparteitag in Berlin. Es sei »absurd, dass sich die SPD herausnehmen kann, mit der CDU notfalls zu koalieren, während wir uns in Rechtfertigungsorgien winden müssen«, sagt der neue Bundestagsfraktionsvorsitzende Hofreiter. Ebenso absurd sei es, »dass eine linke politische Mehrheit von Rot-Rot-Grün an den Befindlichkeiten der SPD ebenso wie an den Unberechenbarkeiten der Linken scheitert«. Doch solche Fragen werden sich für die Grünen ohnehin wohl erst 2017 wieder stellen. Bis dahin wird die Partei mit der kleinsten Fraktion im Bundestag viel Zeit haben, sich als liberale Oppositionspartei zu profilieren. Sie wird sich anstrengen müssen. |
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