18.01.2013 |
Startseite taz |
Katholische Klinik weist Vergewaltigungsopfer ab |
Von Pascal Beucker |
RELIGION Aus
Angst vor Gesprächen über Abtreibung und die "Pille danach" lehnen
Krankenhäuser einer Ordensgemeinschaft es ab, eine mutmaßlich
vergewaltigte Frau bei ihnen zu untersuchen. Kölner Erzbistum:
"Bedauerlicher Einzelfall" Mit dem Slogan "Der Mensch in guten Händen" wirbt
die Kölner Stiftung der Cellitinnen zur hl. Maria. Vergewaltigte
Frauen sollten sich jedoch besser nicht angesprochen fühlen. Denn
Opfer, die in einer der Krankenhäuser der katholischen
Ordensgemeinschaft Hilfe suchen, droht eine böse Überraschung, wie
der Fall einer 25-Jährigen zeigt: Aus religiösen Gründen wurde sie
abgewiesen. Das Kölner Erzbistum spricht von einem "sehr
bedauerlichen Einzelfall". Nach Polizeiangaben war die junge Frau in der
Nacht zum 15. Dezember bei einer Party auf den Kölner Ringen
offenbar mit K.-o.-Tropfen betäubt worden und kam erst einen Tag
später auf einer Bank in einem anderen Stadtteil wieder zu sich. In
Begleitung ihrer Mutter suchte sie daraufhin den ärztlichen
Notdienst auf. Die Polizei wurde alarmiert und kam in die Praxis.
Ein Protokoll wurde aufgenommen. "Die Betroffene hat angegeben, dass
sie vergewaltigt worden sei", sagte eine Polizeisprecherin der taz.
Bei zwei Cellitinnen-Krankenhäusern bemühte sich eine Notärztin
darum, eine gynäkologische Untersuchung der Frau zur Spurensicherung
zu erreichen - vergeblich. Laut einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers
sollen sowohl das St.-Vinzenz-Hospital als auch das
Heilig-Geist-Krankenhaus abgelehnt haben. Zur Begründung sei
angegeben worden, eine solche Untersuchung nach einem sexuellen
Übergriff sei nicht möglich, weil man in einem
Arzt-Patienten-Gespräch auch auf eine ungewollte Schwangerschaft,
deren möglichen Abbruch und die "Pille danach" zu sprechen kommen
müsse. Ein solches Aufklärungsgespräch sei aber mit dem katholischen
Gedankengut unvereinbar. So sähen es neue Richtlinien vor, die ein
klinisches Ethikkomitee in Abstimmung mit Kölns Erzbischof Joachim
Meisner im November verabschiedet habe. Dass das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer keine
Hilfe im St.-Vinzenz-Hospital gefunden hat, bestätigt die Kölner
Polizei. "Nach unseren Erkenntnissen wurde die Geschädigte in dem
Krankenhaus abgewiesen", sagte eine Sprecherin. Die junge Frau sei
dann in ein evangelisches Krankenhaus gebracht worden. Dort hätten
alle für ein Beweissicherungsverfahren notwendigen Untersuchungen
stattfinden können. Von einem "Missverständnis" spricht die
Cellitinnen-Stiftung, die sich selbst als "modernes Gesundheits- und
Pflegeunternehmen" bezeichnet und insgesamt fünf Krankenhäuser in
Köln unterhält: "Außer der Abgabe der Notfallkontrazeption" - also
der Pille danach - würden "alle medizinischen Maßnahmen sofort
angeboten". Warum das im konkreten Fall nicht geschehen sei, werde
derzeit aufgeklärt. "Das bedauern wir sehr", sagte Stiftungssprecher
Christoph Leiden am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Der
Vorfall entspräche auf keinen Fall einer "Grundsatzhaltung". Der entstandene Eindruck, Vergewaltigungsopfer
dürften in katholischen Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden,
sei "falsch", beteuert auch das Erzbistum Köln. Es habe "das feste
Vertrauen", dass der Träger der Krankenhäuser "die Gesamtsituation
vollständig aufklären und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen wird,
um eine Wiederholung eines solchen sehr bedauerlichen Einzelfalls
auszuschließen", heißt es in einer Stellungnahme. Das NRW-Gesundheitsministerium kündigte die
Untersuchung des Falles an: "Das Ministerium prüft, ob ein Verstoß
der Krankenhäuser gegen gesetzliche Regelungen vorliegt."
Grundsätzlich dürfe kein Krankenhaus das Opfer einer Gewalttat
abweisen, sagte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). Von einer "zynischen Moral der katholischen Kirche", sprach der Landesvorsitzende der NRW-Grünen, Sven Lehmann. "Christliche Nächstenliebe hört da auf, wo es um die Dogmen einer verstaubten Amtskirche geht." Wenn Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft Menschenrechte wie das Recht auf erste Hilfe ablehnten, solle ihnen die Betriebserlaubnis entzogen werden, so Lehmann. |
© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors. |