24.01.2013 |
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KOMMENTAR: Kleinkarierte Vorwürfe |
Von Pascal Beucker |
Ihre Dissertation wäre der falsche Grund für Schavans Rücktritt. Es wird eng für Annette Schavan. Nachdem die
Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität am Dienstagabend ein
förmliches Verfahrens zur Überprüfung ihres Doktortitels eingeleitet
hat, ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung mehr als
angeschlagen. Schwer vorstellbar, dass sie sich noch bis zur
Bundestagswahl im Amt halten kann. Es gehören keine hellseherischen Fähigkeiten
dazu, um vorauszusagen, dass die Rufe nach ihrem Rücktritt, schon
jetzt unüberhörbar, immer lauter werden, je näher der Wahltermin
rückt. Die Opposition kann sich die günstige Gelegenheit gar nicht
entgehen lassen. Damit wird Schavan zum Problemfall für die
schwarz-gelbe Koalition. Ganz gleich, ob sie ihren Doktortitel
verliert oder nicht. Die Gesetzmäßigkeiten des politischen Geschäfts
entsprechen nicht den Regeln des Rechtsstaats. Sich auf die
Unschuldsvermutung zu berufen, bringt nicht viel. Dabei ist es keineswegs ausgemacht, dass Schavan
demnächst nicht mehr ihren Doktortitel tragen darf. Das Verfahren
gegen sie sei ergebnisoffen, versichert die Düsseldorfer Uni.
Sicherlich lässt sich eine gewisse Schadenfreude nur schwer
verbergen, dass ausgerechnet die CDU-Bildungsministerin unter
Plagiatsverdacht steht. Trotzdem überwiegt ein schales Gefühl. Alleine, dass sich die Düsseldorfer Hochschule
neun Monate Zeit zu ihrer Vorprüfung genommen hat, ohne dabei den
Eindruck zu vermitteln, besonders sorgfältig vorgegangen zu sein,
ist ein Vorgang, der jenseits des universitären Elfenbeinturms kaum
nachvollziehbar ist. Selbst verschuldet hat sie sich damit zwischen
die Wahlkampffronten manövriert. Doch das ist nicht das einzige Problem. Wer sich
Schavans Dissertation durchliest, wird schnell feststellen: Bei
Lichte betrachtet erscheinen die gegen sie erhobenen Vorwürfe mehr
als kleinkariert. Doktorarbeiten wie ihre dürften zumindest zu jener
Zeit, als sie sie erstellte, eher die Regel denn die Ausnahme
gewesen sein. Kein Copy-and-Paste-Produkt Schavan ist kein Karl-Theodor zu Guttenberg. Ihre
Arbeit ist kein Copy-and-Paste-Produkt. Aus gutem Grund ist die
Bewertung ihrer Dissertation in der Wissenschaft höchst umstritten.
Selbst scharfe Kritiker sprechen zumindest von einem Grenzfall.
Nicht jeder Zitierfehler resultiert aus einer Täuschungsabsicht. Wenn die Universität Düsseldorf die gleichen
Maßstäbe anlegen würde, wie die Uni Potsdam bei ihrer Bewertung der
Arbeit des niedersächsischen Kultusministers Bernd Althusmann,
dürfte Schavan nicht viel zu befürchten haben. Gegenüber der
Text-Collage, die ihr Parteifreund einst abgegeben hatte, erscheint
ihre geschwurbelte Dissertation unter dem Titel „Person und
Gewissen“ aus dem Jahr 1980 geradezu als Musterbeispiel guter
wissenschaftlicher Praxis. Trotz einer Reihe von „Mängeln von erheblichem
Gewicht“ durfte der damalige Präsident der der
Kultusministerkonferenz seinen Titel behalten. Doch einheitliche
Verfahrensregeln und Maßstäbe gibt es leider nicht. Es ist an der
Zeit, dass sich das ändert. Es gibt viele gute Gründe, sich zu wünschen, dass Annette Schavan als Bildungsministerin abtritt. Ihre Doktorarbeit gehört nicht dazu. Nützen dürfte ihr diese Erkenntnis allerdings wenig. |
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