22.02.2013

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 Seit 45 Jahren: Das Kreuz mit der Pille
Von Pascal Beucker

VERHÜTUNG Papst Paul VI. begründete das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung. Doch es gibt seltsame Schlupflöcher.

Es ist schon ein Kreuz mit der Pille. Ob davor oder danach: Seit nunmehr 45 Jahren plagen sich die deutschen Bischöfe mit diesem weiblichen Schutz vor ungewollten Kindern herum. Das ist das schwere Erbe, das ihnen Giovanni Battista Montini mit der Enzyklika „Humanae Vitae“ hinterlassen hat. In seinem am 25. Juli 1968 veröffentlichten Lehrschreiben über „die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens“ verkündete der damalige Papst Paul VI. die „Untrennbarkeit von liebender Vereinigung und Fortpflanzung“, was der römisch-katholischen Kirche konkret das Verbot jeglicher „Methoden der künstlichen Geburtenregelung“ bedeutete.

Nicht nur der „direkte Abbruch einer begonnenen Zeugung, vor allem die direkte Abtreibung“, sei „absolut zu verwerfen“, erklärte Montini. Zu verurteilen sei auch „die direkte, dauernde oder zeitlich begrenzte Sterilisierung des Mannes oder der Frau“. Ebenso sei „jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel“. Denn "jeder eheliche Akt" müsse „von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben“.

Mit seiner Ignoranz gegenüber Lebensrealitäten bescherte Montini den Kirchenfunktionären eine ernsthafte Autoritätskrise. Mit ihrer „Königsteiner Erklärung“ versuchten die deutschen Bischöfe im August 1968 den Unmut unter vielen Gläubigen aufzugreifen. Gleichwohl stellten sie fest, es sei „daran festzuhalten, dass die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Geburtenregelung zulässig ist, nicht der Willkür der Ehepartner überlassen werden kann“.

Die unsägliche Enzyklika „Humanae Vitae“ ist bis heute gültig. Allerdings gibt es interessante Schlupflöcher. So stellte das Kölner Erzbistum ausdrücklich fest, dass sich die geänderte Haltung des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner zur „Pille danach“ im Einklang mit dem Papstpapier befindet. Denn Meisner beziehe sich „nicht auf die Situation in einer sakramentalen Ehe, die die Enzyklika ’Humanae Vitae‘ behandelt“. Da es sich jedoch bei einer Vergewaltigung nicht um einvernehmlichen Sex handele, der nach kirchlicher Lehre nur zwischen Eheleuten statthaft ist, gehe es „um die Verhinderung einer verbrecherischen Befruchtung“. Deshalb gelte hier das Pillenverbot nicht. Aus diesem Grund habe die römische Glaubenskongregation auch „die Einnahme von Antikonzeptiva durch Ordensschwestern in einer Weltgegend, in der sie Vergewaltigungen fürchten mussten, erlaubt“.

Übrigens gibt es auch noch eine weitere Möglichkeit, ganz päpstlich erlaubt die Pille zu nehmen: Die Enzyklika „Humanae Vitae“ hält „jene therapeutischen Maßnahmen, die zur Heilung körperlicher Krankheiten notwendig sind, nicht für unerlaubt, auch wenn daraus aller Voraussicht nach eine Zeugungsverhinderung eintritt“. Katholikinnen, die die Pille also beispielsweise nur gegen Akne nehmen, sind auch aus dem Schneider.


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