06.03.2013 |
Startseite taz |
Kirchen können weiter auf Milliarden-Zuschüsse zählen |
Von Pascal Beucker |
STAAT
Die Linkspartei will die hohen Zahlungen ablösen. Andere Parteien
trauen sich kaum an das Thema Raju Sharma gibt sich optimistisch. "Dieser
Verfassungsauftrag ist eindeutig, unmissverständlich und
verbindlich", sagt der religionspolitische Sprecher der
Linksfraktion im Bundestag. Deswegen sei er sicher, dass es bald
zu einer Neuregelung kommen werde. Es geht um die sogenannten
Staatsleistungen an die evangelische und die katholische Kirche.
Die dürfte es eigentlich seit 94 Jahren nicht mehr geben. Jetzt
verhandelt der Bundestag über einen Gesetzentwurf der
Linkspartei, die Zuwendungen gegen eine Einmalzahlung
einzustellen. Hintergrund sind staatliche
Zahlungsverpflichtungen, die sich aus angeblich historischen
Rechtstiteln herleiten, beispielsweise aus dem
Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Es handelt sich um ein unübersichtliches
Gemisch von Ansprüchen. Sie resultieren aus der Säkularisierung
kirchlicher Güter, aber auch aus schnöden Deals der damaligen
Fürsten und Könige mit den jeweiligen Kirchenoberhäuptern:
Legitimation der staatlichen Obrigkeit seitens der Kirche gegen
staatliche Alimentierung der kirchlichen Würdenträger. Mit dem Ende des Kaiserreichs sollte
eigentlich damit Schluss sein. "Die auf Gesetz, Vertrag oder
besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die
Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung
abgelöst", heißt es in der Weimarer Verfassung. "Die Grundsätze
hierfür stellt das Reich auf." Aus dem Reich wurde die
Bundesrepublik, aus der Weimarer Verfassung das Grundgesetz.
Doch der Verfassungsauftrag blieb uneingelöst. So flossen seit
Gründung der Bundesrepublik allein für Personalzuschüsse bisher
rund 14,83 Milliarden Euro vom Staat an die Kirchen. Die Linkspartei würde das gern ändern. In
ihrem Gesetzentwurf schlägt sie zur Ablösung der vermeintlichen
Ansprüche "eine einmalige Entschädigungszahlung in Höhe des
Zehnfachen des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes
gezahlten Jahresbeitrags". Das wären gegenwärtig rund 4,75
Milliarden Euro. Die Kirchen geben sich zwar gesprächsbereit,
doch wie ernst sie es damit meinen, ist umstritten. Auf jeden
Fall halten sie diese Summe für viel zu niedrig. Die
Vorstellungen reichen bis hin zum 40-Fachen der jährlichen
Staatszahlungen. Dass es eine Entscheidung des Bundestags
gegen den Willen der Kirchen geben könnte, gilt als
ausgeschlossen. "Die finanziellen und volkswirtschaftlichen
Schwierigkeiten einer Ablösung sind nicht zu unterschätzen",
beantwortete die schwarz-gelbe Regierung unlängst eine Anfrage
des Linken Sharma. "Insoweit wird für den Bundesgesetzgeber kein
Handlungsbedarf gesehen." Der Berliner Politikwissenschaftler
Carsten Frerk, Verfasser des "Violettbuch Kirchenfinanzen",
glaubt denn auch nicht an eine Einstellung der staatlichen
Daueralimentierung: "Es wird sich nichts tun." Dass sich daran unter einer möglichen rot-grünen Bundesregierung nach der Wahl im September etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich. In der Bundestagsdebatte Ende Februar lobte zwar der SPD-Parlamentarier Rolf Schwanitz, es handle sich um "einen sehr guten und längst überfälligen Gesetzentwurf", doch mit dieser Meinung befindet er sich in einer krassen Minderheitenposition. Die SPD-Fraktion setzt vielmehr weiter auf Zeitspiel. "Wenn man diesen Zustand beklagt, dass wir als Gesetzgeber einen Verfassungsauftrag nicht erfüllen, dann wird man realistischerweise aber auch anerkennen müssen: Wenn das 90 Jahre lang, 93 Jahre lang nicht erfüllt wurde, wird das nicht von heute auf morgen zu regeln sein", sagte der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz. Er plädierte für einen "fairen Diskussions- und Gesprächsprozess mit den Kirchen". Ein Ergebnis könnte auch sein, "dass wir das alles völlig in Ordnung finden, wie es ist". Dann wäre es allerdings besser, so Wiefelspütz, das Grundgesetz zu ändern. Jetzt liegt der Linken-Antrag erst mal im Innenausschuss zur weiteren Beratung. |
© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors. |