15.05.2013 |
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Abschiebung in ein fremdes Land |
Von Pascal Beucker |
ASYL
Emine Harb ist vor 23 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland
geflohen. Jetzt soll die 53-Jährige in ihr Geburtsland Türkei
abgeschoben werden - obwohl sie kein Türkisch spricht. "Das Lächeln im Münsterland": so preist sich
die Stadt Rhede im Kreis Borken an. Auch Emine Harb lebt hier
gerne. Nach ihrer Flucht aus dem Libanon vor 23 Jahren wurde
Rhede zu ihrer neuen Heimat. An diesem Dienstag soll es damit
vorbei sein. Um 7.15 Uhr werde sie abgeholt, hat ihr die
Abteilung für Sicherheit und Ordnung des Kreises mitgeteilt.
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird sie in die Türkei
abgeschoben. "Sie ist reisefähig", sagt ein Sprecher des
Kreises Borken. Das habe eine amtsärztliche Untersuchung
bestätigt. Außerdem habe das Verwaltungsgericht Münster
entschieden, dass die angekündigte Abschiebung rechtmäßig sei.
Damit ist der Fall für den Kreis erledigt. Rechtsanwalt Ali
Durmus hält das für einen Skandal. "Die Behörde setzt das Leben
meiner Mandantin aufs Spiel", sagt er und legt die Bescheinigung
eines Kardiologen vor. "Es besteht eine erhebliche Herzschwäche
nach einem großen Herzinfarkt", heißt es darin. Daher sieht der
Arzt "bei seelischem und körperlichem Stress eine erhebliche
Gefährdung". Emine Harb lebte bislang mit ihrem
staatenlosen Mann und ihren beiden Töchtern "geduldet" in der
Bundesrepublik. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt. Nun soll die
53-Jährige von ihrer Familie getrennt werden. Zwar habe der
Staat laut Grundgesetz die Familie zu schützen und zu fördern,
argumentiert der Kreis Borken. Aber bei der Entscheidung über
aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien nur die familiären
Bindungen von Personen relevant, "die sich berechtigterweise im
Bundesgebiet aufhalten". Im Falle der Harbs sei jedoch "die
gesamte Familie vollziehbar ausreisepflichtig, ohne dass ihnen
ein Anspruch auf Aufenthaltslegalisierung zusteht". Auch wenn sie formal als türkische
Staatsangehörige gilt, ist die Türkei für Emine Harb ein Land,
das sie nicht kennt und deren Sprache sie nicht spricht. Die
Analphabetin gehört zur arabischsprachigen Volksgruppe der
Mhallami, die ursprünglich aus der südostanatolischen Provinz
Mardin an der Grenze zu Syrien stammen. In der Hoffnung auf
bessere Lebensverhältnisse wanderten zahlreiche Mhallami seit
den zwanziger Jahren in den Libanon aus. So kam auch Emine Harb
als kleines Kind mit ihren Eltern in die Mittelmeerrepublik.
1981 und 1987 kamen ihre Kinder Leila und Hasna im Libanon zur
Welt. 1990 floh die Familie nach Deutschland. Die Abschiebung von Emine Harb sei "menschlich nicht zu verantworten", sagt Elisabeth Olbing vom Borkener Flüchtlingsrat. "Wie kann die Frau allein in einem Land, das ihr unbekannt ist, zurechtkommen?" Sie hofft auf eine "humanitäre Lösung". Doch die Chancen stehen schlecht. Immerhin können Emine Harbs inzwischen erwachsenen Töchter darauf hoffen, nicht auch noch abgeschoben zu werden. Vergangene Woche empfahl der Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Update 15.05.2013: Abschiebung
vorerst gescheitert Die Abschiebung von Emine Harb in die Türkei ist am Dienstag vorläufig gescheitert. Vertreter der Ausländerbehörde des Kreises Borken trafen die herzkranke 53-Jährige, die vor 23 Jahren mit ihrer Familie aus dem Libanon nach Deutschland geflohen war, nicht in ihrer Wohnung in Rhede an. Die Ausländerbehörde will Haftbefehl beantragen. Der Borkener Flüchtlingsrat kritisierte die Abschiebung der Analphabetin als „menschlich nicht zu verantworten“ und hofft auf eine humanitäre Lösung. (pab) |
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