27.06.2013 |
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Regelungen von Anno 1803 |
Von Pascal Beucker |
Die Kirche erhält jährliche
Zuwendungen vom Staat ohne jegliche Zweckbindung. Über einen
Gesetzentwurf, diese Gelder einzustellen, wird nun abgestimmt. Die Humanistische Union (HU) hat den
Bundestag aufgefordert, endlich das Ende der Staatsleistungen an
die Kirchen zu beschließen. „Es ist nicht akzeptabel, dass die
Mehrheit der Abgeordneten einen klaren Verfassungsauftrag
weiterhin ignoriert“, sagte Kirsten Wiese vom Bundesvorstand der
Bürgerrechtsorganisation. Anlass ist die zweite und dritte Beratung
über einen Gesetzentwurf der Linkspartei, die höchst
fragwürdigen Zuwendungen gegen eine Einmalzahlung einzustellen.
Die Abstimmung darüber steht für den frühen Freitagmorgen um
1.10 Uhr auf der Tagesordnung des Berliner Parlaments. Die Staatsleistungen sind jährliche
Zuwendungen, die die Kirchen ohne jegliche Zweckbindung von den
Bundesländern erhalten. Die Humanistische Union erinnerte daran,
dass es sie eigentlich schon lange nicht mehr geben dürfte. Denn
Hintergrund der Staatsleistungen sind umstrittene
Zahlungsverpflichtungen, die sich aus vordemokratischen
Rechtstiteln herleiten. Beispielsweise aus dem
Reichsdeputationshauptschluss von 1803 oder dem Bayerischen
Konkordat von 1817. Es handelt sich um ein unübersichtliches
Gemisch an Ansprüchen, die einerseits aus der Säkularisierung
kirchlicher Güter resultieren, andererseits aber auch aus
schnöden Deals der damaligen Fürsten und Könige mit den
jeweiligen Kirchenoberhäuptern: Legitimation der staatlichen
Obrigkeit seitens der Kirche gegen staatliche Alimentierung der
kirchlichen Würdenträger.
Der Ablösungsauftrag blieb stehen Mit dem Ende des Kaiserreichs sollte damit
eigentlich Schluss sein. Mit der Abschaffung der Staatskirche
plante die Nationalversammlung 1919 auch die finanzielle
Entflechtung. Sichergestellt werden sollte das durch den Artikel
138, Absatz 1 der Weimarer Verfassung: „Die auf Gesetz, Vertrag
oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die
Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung
abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Aus dem Reich wurde die Bundesrepublik, aus
der Weimarer Verfassung das Grundgesetz – der Ablösungsauftrag
blieb bestehen: Die Bestimmung des Artikels 138 der Weimarer
Verfassung ist „Bestandteil dieses Grundgesetzes“, heißt es im
Artikel 140. Nur erfüllt wurde sie bis heute nicht. Die historisch begründeten Dotationen an die
beiden Großkirchen dürfen weder mit den Zuwendungen für
kirchliche Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser, diakonische
oder karitative Einrichtungen verwechselt werden, noch mit den
Kirchensteuern, die der Staat für die Kirchen einzieht. „Es ist
völlig unverständlich, warum die zum Teil hoch verschuldeten
Länder jährlich 481 Millionen Euro an die evangelische und die
katholische Kirche zahlen, die schuldenfrei und zudem in der
Lage sind, ihren Finanzbedarf durch die von ihnen selbst
festzusetzende Kirchensteuer zu decken“, kritisiert HU-Frau
Wiese. Bislang dürfen sich die evangelische Kirche
über 279 Millionen und die katholische Kirche über 202 Millionen
Euro Staatsknete im Jahr freuen. Großzahlmeister ist das
grün-rote Baden-Württemberg mit 108 Millionen Euro, gefolgt von
Bayern mit 90 Millionen Euro und Rheinland-Pfalz mit 52
Millionen Euro. Nur Hamburg und Bremen sparen sich aus ihrer
hanseatischen Kaufmannstradition heraus solche
Transferleistungen, mit denen die Kirchen vor allem ihr
Funktionärspersonal finanzieren.
Die umstrittene Entschädigung Zur Ablösung der Staatsleistungen schlägt die
Linkspartei in ihrem Gesetzentwurf „eine einmalige
Entschädigungszahlung in Höhe des Zehnfachen des zum Zeitpunkt
des Inkrafttretens dieses Gesetzes gezahlten Jahresbeitrags“
vor. Das wären derzeit also rund 4,81 Milliarden Euro – eine
Summe, die alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien für
viel zu gering halten. In Kirchenkreisen reichen die
Vorstellungen sogar bis hin zum 40-Fachen der jährlichen
Staatszahlungen. Dabei ist es umstritten, ob den Kirchen
überhaupt eine Entschädigung zusteht. „Die evangelische und
katholische Kirche haben mit mehr als 15 Milliarden Euro seit
1949 bereits ein Vielfaches dessen erhalten, was ihnen durch die
Enteignungen in vergangenen Jahrhunderten genommen worden ist“,
rechnet HUlerin Wiese vor. „Eine Entschädigung ist deshalb nicht
mehr nötig.“ Dass sich an der staatlichen
Alimentierungspraxis auf absehbare Zeit etwas ändern wird, ist
jedoch unwahrscheinlich. Weder Union und FDP, noch SPD und
Grünen wollen sich mit den Kirchen anlegen. Mit ihren Stimmen
hat sowohl der Innen- als auch der Rechtsausschuss des
Bundestages empfohlen, den Linkspartei-Gesetzentwurf abzulehnen. Im Schnellverfahren und de facto unter Ausschluss der Öffentlichkeit dürften die Abgeordneten in der Nacht zum Freitag das unangenehme Thema zu den Akten legen. Nicht einmal eine Aussprache ist vorgesehen. Der Verfassungsauftrag wird unerfüllt bleiben. |
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