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Von Pascal Beucker und Anja Krüger |
Zehntausende Anhänger des türkischen Premiers Erdogan demonstrieren in Düsseldorf für die Politik seiner Regierung.
Offizieller Veranstalter der Kundgebung ist die 2004 gegründete Union Europäisch-Türkischer Demokraten. Ihre europäische Zentrale residiert in einer früheren Direktorenvilla der Spiegelglaswerke „Germania“ im Kölner Stadtteil Porz. Die UETD ist Erdogans Lobbytruppe in der Bundesrepublik. Sie verfügt nach eigenen Angaben über 26 Niederlassungen in Deutschland, hinzu kommen Filialen in Österreich, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Rund 400 Busse will sie für den Trip in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt organisiert haben. "Wir sind stolz, so einen Anführer wie Erdogan zu haben", sagt der UETD-Vorsitzende Süleyman Celik.
Die Demonstranten kommen
aus allen gesellschaftlichen Spektren: Streng Gläubige und
weniger Gläubige, Frauen mit und ohne Kopftuch, einfache
Malocher und hochgebildete Akademiker, Ditib-Funktionäre
neben Grauen Wölfen. Viele Jugendliche sind dabei. Eine
elfköpfige Gruppe aus Bönen bei Dortmund trägt T-Shirts mit
dem Logo der AK-Partei auf der Vorderseite. Der türkische
Spruch auf ihren Rücken lautet übersetzt: "Wer uns mit
Steinen bewirft, den bewerfen wir mit Rosen." Die T-Shirts
hätten sie extra für die Kundgebung
anfertigen lassen, sagt einer der jungen Männer. Der
gebürtige Berliner ist in der Ausbildung zum
Einzelhandelskaufmann. Seit ein paar Monaten besitzt er die
deutsche Staatsbürgerschaft. Er "fühlt sich eher als Türke,
aber man ist auch deutsch", sagt er. Von den Demonstranten
auf dem Taksimplatz hat er eine klare Meinung: "Die haben
mit den Türken nichts zu tun." Hinter ihnen stehe die PKK
und das Ausland, das der Türkei ihren wirtschaftlichen
Erfolg kaputtmachen wolle. Mevlüt
Cavusoglu bedient solche Verschwörungstheorien gerne. "Das
ist ein großes Spiel internationaler Mächte gegen uns", sagt
er. Cavusoglu ist einer von drei AKP-Abgeordneten, die die
UETD hat einfliegen lassen. Stargast ist allerdings der
türkische Kulturminister Ömer Celik. Als er vorfährt, wird
er mit Begeisterung begrüßt. "Die Türkei ist stolz auf
dich", rufen ihm junge Männer auf Türkisch zu. Hinter dem
Putsch gegen den ägyptischen Präsidenten Mursi stecke die
gleiche internationale Strategie wie bei den Protesten gegen
Erdogan, behauptet Celik. "Damit kommen sie aber bei uns nicht durch." Auch eine junge Frau aus Nürnberg ist davon überzeugt, dass "ausländische Mächte" hinter der Demokratiebewegung in der Türkei stehen. Die 26-jährige Kundenberaterin hat sich eine große türkische Fahne umgebunden. "Ich bin stolz auf Erdogan", sagt sie mit fränkischem Akzent. "Der ist zwar gläubig, aber tolerant." Gegen Krawallmacher jedoch würde die Polizei auch hier mit Tränengas und Wasserwerfer vorgehen. Deswegen könne sie die Aufregung darüber in Deutschland nicht verstehen. "Ich bin hier, damit die Menschen in der Türkei sehen, dass auch die Türken im Ausland hinter Erdogan stehen." Die Düsseldorfer UETD-Demonstration zielt offensichtlich nicht auf die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik, sondern in der Türkei. Alle Ansprachen sind ausschließlich in türkischer Sprache. Nur wenige Transparente finden sich in deutscher Sprache. „Angela, Cem, Guido, Claudia etc.: Kümmert euch um die NSU-Morde statt der Türkei“, steht auf einem, „Schluss mit Medienlügen! Ägypten habt ihr zerstört, Türkei bekommt ihr nicht!“, auf einem anderen. Dazwischen dröhnt türkisch-patriotische Musik aus den Boxen, unterbrochen von „Recep Tayyip Erdogan“- Sprechchören, die von der Bühne aus orchestriert werden. Dann der Höhepunkt: Erdogan – per Video dazu geschaltet – spricht persönlich zu den Teilnehmern. Seine Worte von der Leinwand sind unter dem ohrenbetäubenden Jubel kaum zu verstehen. Erdogan-Porträts werden euphorisch in den Himmel gehalten. „Tayyip der Große“, steht auf einem Plakat. Alles bleibt friedlich, die zahlreich aufgebotene Polizei verlebt einen lauten, aber trotzdem ruhigen Nachmittag. Allerdings ist die Stimmung fragil. Wie schnell sie kippen kann, zeigt sich, als eine kleine Gruppe am Rheinufer auftaucht und Anti-Erdogan-Sprüche ruft. Sofort laufen aufgebrachte jugendliche Erdogan-Fans in ihre Richtung, um die Unbotmäßigen zu verprügeln. Doch die nehmen zum Glück schnell ihre Füße in die Hand und verschwinden. Polizisten beruhigen die Heißsporne. Auf den T-Shirts zweier Jugendlicher aus Karlsruhe steht: „Bleib aufrecht, knie dich nicht. Die Auswanderer sind mit Dir.“ Wie alle hier, rechtfertigen sie die brutalen Polizeieinsätze gegen die Demonstranten im Gezi-Park und auf dem Taksimplatz: „Die Polizei ist unsere Ehre und Stolz“, sagt einer der beiden pathetisch. Der 20-Jährige macht eine Ausbildung Zum Bürokaufmann, sein 22-jähriger Freund zum Elektroniker. Vor die Wahl gestellt, haben sich beide für die türkische und gegen die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. Der eine will sofort nach seiner Ausbildung, der andere „irgendwann“ in die Türkei übersiedeln. |
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