07.07.2013

Startseite
taz

 „Die Türkei ist stolz auf dich!“
Von Pascal Beucker und Anja Krüger

Zehntausende Anhänger des türkischen Premiers Erdogan demonstrieren in Düsseldorf für die Politik seiner Regierung.

Pro-Erdogan-Demonstration in DüsseldorfÜber den Düsseldorfer Rheinpark ergießt sich ein einziges rotes Meer aus türkischen Fahnen. Zu Zehntausenden sind die Anhänger des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogans am Sonntagnachmittag in die nordrheinwestfälische Landeshauptstadt gekommen, um ihren Helden zu feiern. In unmittelbarer Nähe des türkischen Generalkonsulats haben sie sich unter dem Motto „Respekt vor der Demokratie“ versammelt. Die Polizei spricht von 25.000, es könnten jedoch bis zu 40.000 sein. Für die Demokratiebewegung vom Gezi-Park und dem Taksimplatz haben sie nur Verachtung übrig.

Offizieller Veranstalter der Kundgebung ist die 2004 gegründete Union Europäisch-Türkischer Demokraten. Ihre europäische Zentrale residiert in einer früheren Direktorenvilla der Spiegelglaswerke „Germania“ im Kölner Stadtteil Porz. Die UETD ist Erdogans Lobbytruppe in der Bundesrepublik. Sie verfügt nach eigenen Angaben über 26 Niederlassungen in Deutschland, hinzu kommen Filialen in Österreich, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Rund 400 Busse will sie für den Trip in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt organisiert haben. "Wir sind stolz, so einen Anführer wie Erdogan zu haben", sagt der UETD-Vorsitzende Süleyman Celik.

Die Demonstranten kommen aus allen gesellschaftlichen Spektren: Streng Gläubige und weniger Gläubige, Frauen mit und ohne Kopftuch, einfache Malocher und hochgebildete Akademiker, Ditib-Funktionäre neben Grauen Wölfen. Viele Jugendliche sind dabei. Eine elfköpfige Gruppe aus Bönen bei Dortmund trägt T-Shirts mit dem Logo der AK-Partei auf der Vorderseite. Der türkische Spruch auf ihren Rücken lautet übersetzt: "Wer uns mit Steinen bewirft, den bewerfen wir mit Rosen." Die T-Shirts  hätten sie extra für die Kundgebung anfertigen lassen, sagt einer der jungen Männer. Der gebürtige Berliner ist in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Seit ein paar Monaten besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Er "fühlt sich eher als Türke, aber man ist auch deutsch", sagt er. Von den Demonstranten auf dem Taksimplatz hat er eine klare Meinung: "Die haben mit den Türken nichts zu tun." Hinter ihnen stehe die PKK und das Ausland, das der Türkei ihren wirtschaftlichen Erfolg kaputtmachen wolle.

Mevlüt Cavusoglu bedient solche Verschwörungstheorien gerne. "Das ist ein großes Spiel internationaler Mächte gegen uns", sagt er. Cavusoglu ist einer von drei AKP-Abgeordneten, die die UETD hat einfliegen lassen. Stargast ist allerdings der türkische Kulturminister Ömer Celik. Als er vorfährt, wird er mit Begeisterung begrüßt. "Die Türkei ist stolz auf dich", rufen ihm junge Männer auf Türkisch zu. Hinter dem Putsch gegen den ägyptischen Präsidenten Mursi stecke die gleiche internationale Strategie wie bei den Protesten gegen Erdogan, behauptet Celik. "Damit kommen sie aber bei uns nicht durch."

Auch eine junge Frau aus Nürnberg ist davon überzeugt, dass "ausländische Mächte" hinter der Demokratiebewegung in der Türkei stehen. Die 26-jährige Kundenberaterin hat sich eine große türkische Fahne umgebunden. "Ich bin stolz auf Erdogan", sagt sie mit fränkischem Akzent. "Der ist zwar gläubig, aber tolerant." Gegen Krawallmacher jedoch würde die Polizei auch hier mit Tränengas und Wasserwerfer vorgehen. Deswegen könne sie die Aufregung darüber in Deutschland nicht verstehen. "Ich bin hier, damit die Menschen in der Türkei sehen, dass auch die Türken im Ausland hinter Erdogan stehen."

Die Düsseldorfer UETD-Demonstration zielt offensichtlich nicht auf die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik, sondern in der Türkei. Alle Ansprachen sind ausschließlich in türkischer Sprache. Nur wenige Transparente finden sich in deutscher Sprache. „Angela, Cem, Guido, Claudia etc.: Kümmert euch um die NSU-Morde statt der Türkei“, steht auf einem, „Schluss mit Medienlügen! Ägypten habt ihr zerstört, Türkei bekommt ihr nicht!“, auf einem anderen. Dazwischen dröhnt türkisch-patriotische Musik aus den Boxen, unterbrochen von „Recep Tayyip Erdogan“- Sprechchören, die von der Bühne aus orchestriert werden. Dann der Höhepunkt: Erdogan – per Video dazu geschaltet – spricht persönlich zu den Teilnehmern.  Seine Worte von der Leinwand sind unter dem ohrenbetäubenden Jubel kaum zu verstehen. Erdogan-Porträts werden euphorisch in den Himmel gehalten. „Tayyip der Große“, steht auf einem Plakat.

Alles bleibt friedlich, die zahlreich aufgebotene Polizei verlebt einen lauten, aber trotzdem ruhigen Nachmittag. Allerdings ist die Stimmung fragil. Wie schnell sie kippen kann, zeigt sich, als eine kleine Gruppe am Rheinufer auftaucht und Anti-Erdogan-Sprüche ruft. Sofort laufen aufgebrachte jugendliche Erdogan-Fans in ihre Richtung, um die Unbotmäßigen zu verprügeln. Doch die nehmen zum Glück schnell ihre Füße in die Hand und verschwinden. Polizisten beruhigen die Heißsporne.

Auf den T-Shirts zweier Jugendlicher aus Karlsruhe steht: „Bleib aufrecht, knie dich nicht. Die Auswanderer sind mit Dir.“ Wie alle hier, rechtfertigen sie die brutalen Polizeieinsätze gegen die Demonstranten im Gezi-Park und auf dem Taksimplatz: „Die Polizei ist unsere Ehre und Stolz“, sagt einer der beiden pathetisch. Der 20-Jährige macht eine Ausbildung Zum Bürokaufmann, sein 22-jähriger Freund zum Elektroniker. Vor die Wahl gestellt, haben sich beide für die türkische und gegen die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. Der eine will sofort nach seiner Ausbildung, der andere „irgendwann“ in die Türkei übersiedeln.


© Pascal Beucker & Anja Krüger. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei den AutorInnen. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der AutorInnen.