20.07.2013 |
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Von Pascal Beucker |
Der nordrhein-westfälische
Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann soll in seiner Doktorarbeit
abgeschrieben haben. Die Technische Universität Dortmund hat nun
reagiert.
Nordrhein-Westfalens Medienstaatssekretär
Marc Jan Eumann muss um seinen Doktortitel bangen. Das Rektorat
der Technischen Universität Dortmund bescheinigt dem
SPD-Politiker „erhebliches wissenschaftliches Fehlverhalten“ und
will ein Aberkennungsverfahren einleiten lassen. Der Vorwurf: Eumann soll abgeschrieben haben
– von sich selbst. Corpus Delicti ist eine Doktorarbeit, die
Eumann 2011 am Institut für Journalistik der TU Dortmund
eingereicht hat. Sie beschäftigt sich mit dem Deutschen
Presse-Dienst, einer 1945 in der britischen Besatzungszone
gegründeten Nachrichtenagentur. Nun prüft die Hochschule, ob es
sich bei der Dissertation um ein Plagiat handelt – und zwar ein
ganz spezielles. Anders als Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU),
Silvana Koch-Mehrin (FDP) oder Annette Schavan (CDU) steht
Eumann nicht in Verdacht, sich mit fremden Feder geschmückt zu
haben. Vielmehr soll sich der 47-jährige Kölner allzu freigiebig
aus seiner eigenen Magisterarbeit bedient haben. Das Werk, das
Eumann zum gleichen Thema 1991 an der Uni Köln eingereicht hat,
taucht jedoch weder im Quellen- und Literaturverzeichnis noch in
den Fußnoten der Dissertation auf. Jetzt sei es Aufgabe des Rats der Fakultät Kulturwissenschaften, ein Aberkennungsverfahren einzuleiten, „da das Promotionsrecht – und folglich auch das Recht zur Aberkennung eines Doktorgrads – bei der Fakultät liegen“, heißt es in einer am späten Freitagnachmittag verbreiteten Pressemitteilung der TU Dortmund. Bei seiner Feststellung eines „wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ von Eumann stützt sich das Uni-Rektorat auf einen Bericht der hauseigenen „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis“ sowie auf ein externes juristisches Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftler Wolfgang Löwer.
Ambitionierter Politiker Die Aberkennung seines Doktortitels könnte
für Eumann einen empfindlichen Karriereknick bedeuten. Der
ambitionierte Politiker, der Vorsitzender der Medienkommission
beim SPD-Parteivorstand ist und dem ZDF-Fernsehrat angehört,
arbeitet seit der rot-grünen Regierungsübernahme 2010 als
Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für
Bundesangelegenheiten, Europa und Medien. In den vergangenen Wochen machte er vor allem
durch seine Pläne für eine aus Rundfunkgebühren finanzierte
Journalismus-Stiftung auf sich aufmerksam. Nun spekuliert die
WAZ bereits, in der Düsseldorfer Staatskanzlei gebe es
Überlegungen, Eumann auf einen Posten bei der Europäischen Union
in Brüssel abzuschieben. Die Landesregierung gibt sich
zugeknöpft. Noch habe die TU Dortmund nichts entschieden.„Der
Ausgang des Verfahrens bleibt daher abzuwarten“, so die
Landesregierung. Der skurrile Fall wirft mal wieder kein
besonders gutes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb. Um auf die
Idee zu kommen, dass Eumann möglicherweise etwas zu viel auf
Kontinuität gesetzt hat, reicht bereits ein Blick auf die Titel
seiner beiden Elaborate. „Der Deutsche Presse-Dienst –
Nachrichtenagentur in der britischen Zone 1945-1949. Die
Geschichte einer Medieninstitution im Nachkriegsdeutschland“ ist
seine 252 Seiten starke Dissertation überschrieben. Eumanns Magisterarbeit fällt mit 132 Seiten zwar deutlich kürzer aus, dafür ist der Titel etwas länger: „Der Deutsche Presse-Dienst – Nachrichtenagentur in der britischen Besatzungszone 1945-1949. Ein Beitrag zum Aufbau der Presse in Westdeutschland unter Berücksichtigung der Rolle des Chefredakteurs Fritz Sänger“.
„Standardwerk“ Eumann beteuert, dass der Titel seiner
Magisterarbeit sowohl seinem Doktorvater als auch dem
Prüfungsausschuss und dem Dekanat vorgelegen hätten. Laut
Promotionsordnung für die Fakultät Kulturwissenschaften müssen
Doktoranden bei der Einreichung ihrer Arbeiten angeben, „ob die
vorgelegte Dissertation ganz oder in einer anderen Fassung oder
in Teilen einer Hochschule im Zusammenhang mit einer staatlichen
oder akademischen Prüfung vorliegt oder vorgelegen hat“. Doch
seinem Doktorvater Horst Pöttker, der im Vorwort zur Buchversion
Eumanns Dissertation als „Standardwerk“ bezeichnet, will nichts
gewusst haben und nichts aufgefallen sein. Der Titel der Magisterarbeit sei ihm nicht
bekannt gewesen, behauptet der inzwischen emeritierte
Journalistikprofessor. „Nach allen Informationen, die mir
vorlagen, musste ich davon ausgehen, dass die Magisterarbeit von
Herrn Eumann eine wesentlich andere Fragestellung und ein
anderes Thema als seine Dissertation hatte“, sagte Pöttker der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Deswegen sei er nun
„menschlich enttäuscht“. Auf die schlichte Idee, sich die alte
Arbeit vorlegen zu lassen, will Pöttker nicht gekommen sein.
Erst als er in der Fachzeitschrift Publizistik eine kritische
Rezension des Leipziger Kommunikationswissenschaftlers Arnulf
Kutsch gelesen hatte, will Pöttker eine böse Ahnung gekommen
sein. „Aufbau und Text dieser Dortmunder
Dissertation sind in großen Teilen identisch mit der Arbeit
gleichen Titels, mit der der Autor 1991 an der Universität Köln
sein Magisterexamen erwarb“, heißt es in dem im Dezember 2012
veröffentlichten Text von Kutsch. Dessen verheerendes Fazit:
„Einstweilen mag es lehren, wie angenehm es sich in unserem Fach
auf der Grundlage des Textkorpus’ einer Magisterarbeit
promovieren lässt, selbst wenn sich über diese eine 20-jährige
Patina gelegt hat.“ Daraufhin veranlasste Pöttker die
Überprüfung wegen des „illegitimen Erwerbs“ eines Doktortitels. Zweitgutachter Ulrich Pätzold, der seinem Kollegen Pöttker den einflussreichen Medienpolitiker als Doktoranden empfohlen hatte, sieht die Angelegenheit allerdings etwas anders. Er habe gewusst, dass Eumann „bereits in der Magisterarbeit über dieses Thema geforscht hatte“, schreibt der ebenfalls emeritierte Journalistikprofessor in seinem Blog.
„Vorwurf läuft ins
Leere“ „Es war für uns Gutachter unstrittig, dass
sich Marc Eumann seiner Magisterarbeit bedienen konnte, soweit
das für eine öffentliche wissenschaftliche Dissertation sinnvoll
ist“, widerspricht Pätzold der Darstellung Pöttkers. Die
„journalistische Meute“ habe sich verrannt, Eumann gehöre nicht
in die Schusslinie. „Da man kein Dieb von sich selbst sein kann,
läuft der Vorwurf des Plagiats ins Leere“, schreibt Pätzold.
Anders als von ihm behauptet, handelt es sich bei dem Begriff
„Selbstplagiat“ allerdings nicht um eine „im Falle Marc Jan
Eumann geborene journalistische Wortschöpfung“. Ein Blick in den „Ratgeber zur Verhinderung
von Plagiaten“ der TU Dortmund hätte Pätzold eines Besseren
belehrt. Unter den dort aufgeführten „Typen des Plagiats“ findet
sich auch das „Selbstplagiat“, definiert als „Übernahme von
eigenen umfangreichen Texten ohne Kennzeichnung, die bereits in
anderen Examensarbeiten bzw. Publikationen verwendet wurden“. Marc Jan Eumann sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Ich habe weiterhin keinen Zweifel, dass meine Dissertation eine inhaltlich substanzielle Erweiterung meiner Magisterarbeit darstellt“, ließ er am Freitag schriftlich mitteilen. „Und ich habe nicht getäuscht.“ |
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