16.08.2013 |
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Sarrazin kostet die SPD Stimmen |
Von Denis Schnur, Anja Krüger und Pascal Beucker |
UMFRAGE Etliche türkischstämmige Deutsche könnten bei den
kommenden Bundestagswahlen nicht mehr die Sozialdemokraten
wählen, sondern die Union Die unklare Haltung der SPD zu Thilo Sarrazin
und seinen kruden Thesen rächt sich bei den kommenden
Bundestagswahlen. Nach einer Umfrage des Dortmunder
Forschungsinstituts futureorg kommt die SPD bei den traditionell
sozialdemokratisch wählenden Deutschtürken nur noch auf 42,9
Prozent - nach 50,2 Prozent bei den Bundestagswahlen im Jahr
2009. Die CDU legt dagegen von 11,4 Prozent vor vier Jahren auf
jetzt 20,3 Prozent zu. Viele Deutschtürken seien von ihren
Stammparteien enttäuscht, sagte Studienleiter Kamuran Sezer.
"Bei der SPD führen wir das in erster Linie auf die Person Thilo
Sarrazin und die damit verbundene Debatte zurück", sagte er.
Aber auch die Grünen verlieren rund 10 Prozentpunkte und kommen
nur noch auf 21,6 Prozent. Die Wähler seien enttäuscht von
türkischstämmigen Abgeordneten beider Parteien, zum Beispiel
durch deren Auftreten in der Beschneidungsdebatte. Den
Aufschwung der CDU erklärt Sezer mit ihrer "vorsichtigen
Öffnung" hin zur türkischen Community. Die Partei sei auch die
erste gewesen, die eine türkischstämmige Ministerin berufen
habe, die ehemalige niedersächsische Sozialministerin Aygül
Özkan. An den Verlusten der Grünen zeigt sich indes
auch die tiefe Spaltung unter den türkischstämmigen Wählern. Die
Gezipark-Bewegung in der Türkei hat auch sie polarisiert. Einige
Deutschtürken sehen mit Skepsis, wie sich die Grünen zu den
Protesten verhalten haben, sagte Sezer. Der Auftritt der grünen
Parteichefin Claudia Roth in Istanbul, die bei ihrem
Solidaritätsbesuch mitten in die Räumung des Geziparks geriet,
wird ihr von Traditionalisten schwer übel genommen. Die Repräsentativität der Studie ist
umstritten. Teilgenommen haben nur 570 Internetnutzer, die sich
auf der Plattform Endax registriert haben. Sezer räumt ein, dass
"fast keine kurdischstämmigen Deutschen" daran teilgenommen
haben. Das erkläre zum Teil das schlechte Abschneiden der
Linkspartei. Auf bislang wenig Resonanz stößt die erste
mehrheitlich von Migranten gegründete Partei, die zur
Bundestagswahl antritt: das "Bündnis für Innovation und
Gerechtigkeit" (BIG). 6,9 Prozent der türkischstämmigen Wähler
würden sie wählen. Hier sammeln sich Migranten mit konservativem
und wirtschaftsliberalem Weltbild. Kritiker bezeichnen die
Partei als Ableger der islamistischen AKP, der Partei des
türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das weist
der BIG-Bundesvorsitzende Haluk Yildiz zurück: "Wir sind die
einzige Partei, die sich nicht zum Geschehen in der Türkei
geäußert hat." Allerdings gehört Yildiz zu den Unterzeichnern
eines Aufrufs, in dem es heißt, der türkische Staat müsse "um
der Staatsräson willen mit der gebotenen Härte gegen die
Krawallmacher durchgreifen". Die Ereignisse in der Türkei könnten der
Kleinpartei einen Schub geben - auch wenn sie nur in NRW,
Baden-Württemberg und Berlin mit Landeslisten kandidiert. "Die
Berichterstattung in Deutschland gibt die Geschehnisse in der
Türkei nicht richtig wieder", sagt Yildiz. Viele Migranten
würden sich von den etablierten deutschen Parteien abwenden,
weil deren Spitzenpolitiker die harte Gangart der türkischen
Regierung gegenüber der Demokratiebewegung ablehnen, glaubt er.
"Diese Wähler werden sich bei den Bundestagswahlen für eine
andere Partei entscheiden. Das kann uns nützen." Die BIG-Partei hat sich kurz vor den letzten Landtagswahlen in NRW gegründet und in Bonn ihr Zentrum. Dort sitzen auch zwei ihrer Mitglieder im Stadtrat, darunter mit Hülya Dogan die erste Kopftuch tragende Parlamentarierin Deutschlands. In Berlin hat sich die BIG durch eine schwulenfeindliche Aktion gegen die Schulpolitik des Senats bekannt gemacht. Sie lief Sturm gegen ein Projekt zum Abbau von Ressentiments gegen Homosexuelle. Yildiz' Ziel ist, bei den Bundestagswahlen unter die ersten zehn Parteien zu kommen. Allerdings hat sie das Problem, dass sie nicht nur von der deutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Nach den Erkenntnissen der Meinungsforscher von futureorg erreicht die BIG-Partei auch in der türkischen Community viele nicht. |
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