17.09.2013 |
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Religionsprozess mit historischen Exkursen |
Von Pascal Beucker |
KIRCHEN Aus Solidarität mit der russischen Punkband Pussy
Riot stürmten Aktivisten kürzlich den Kölner Dom, sprangen auf
den Altar und entrollten ein Transparent. Die Aktion kostet: 30
Tagessätze à 5 Euro Richter Rolf Krebber übt sich in unendlicher
Geduld. Nur kurz unterbricht er den Angeklagten, der sich selbst
verteidigt: "Sie versprechen mir aber, dass wir irgendwann
wieder beim Kölner Dom landen." Patrick H. lässt sich nicht aus
dem Konzept bringen. Eine weitere halbe Stunde trägt er seinen
"Beweisantrag" vor, der eher ein Referat über den wenig
segensreichen Einfluss der katholischen Kirche ist. Als der
36-Jährige seine Ausführungen beendet, brandet Beifall unter
seinen SympathisantInnen im Zuschauerraum auf. "Den Applaus
haben Sie sich verdient", lobt Richter Krebber. Nur leider sei
dieser "beeindruckende historische Diskurs" nicht
prozessrelevant. Antrag abgelehnt - wie viele andere an diesem
Montag im Saal 2 des Amtsgerichts Köln. Prozessrelevant ist für das Gericht nur, was
am 19. August 2012 während eines Gottesdienstes im Kölner Dom
geschehen ist: Aus Solidarität mit den kurz zuvor in Russland
verurteilten Mitgliedern der Punkband Pussy Riot sprangen
mehrere vermummte AktivistInnen auf den Altar, entrollten ein
Transparent und riefen laut Anklage "kirchenfeindliche Parolen
und lautstarke Protestbekundungen". Bis sie von den
Domschweizern, einer Art Kirchen-Security, nach draußen
befördert und der Polizei übergeben wurden. Einer der DemonstrantInnen war Patrick H., was ihm eine Strafanzeige einbrachte. Da er einen Strafbefehl über 40 Tagessätze zu je 30 Euro auf Bewährung abgelehnt hatte, kam es nun zum Prozess. Ein erster Verhandlungstag musste im Mai nach einem Sit-in von UnterstützerInnen abgebrochen werden. Dank diverser Beweis- und Befangenheitsanträge von Patrick H. hatte der Prozess auch diesmal mitunter den Charakter eines Spektakels. Erst nach drei Stunden schaffte es Richter Krebber, in die Beweisaufnahme einzutreten. Nach der Betrachtung eines Videos von der Aktion sowie der Vernehmung von zwei Domschweizern und drei Polizisten ließ die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe wegen versuchter Nötigung und Körperverletzung fallen. Womit von der Anklage nur noch der Paragraf 167 übrig blieb: Wegen Störung der Religionsausübung wurde Patrick H. zu 30 Tagessätzen à 5 Euro verurteilt. |
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