07.10.2013 |
Startseite taz |
Monheim soll zahlen |
Von Pascal Beucker |
Rot-Grün will in NRW einen
Finanzausgleich zwischen reichen und armen Kommunen einführen.
Reiche Städte wie Monheim sind dagegen. Sie wollen vor Gericht
ziehen. Daniel Zimmermann will nicht klein beigeben.
„Wir werden nicht hinnehmen, dass statt der bisherigen 80
Prozent in Zukunft praktisch unsere gesamten
Gewerbesteuereinnahmen in Umlagen abfließen“, gibt sich Monheims
Bürgermeister kämpferisch. Wenn die rot-grüne Landesregierung
bei ihren Plänen bleibe, bleibe nichts anderes als der Gang zum
nordrhein-westfälischen Landesverfassungsgericht. Es geht um den „Kommunal-Soli“, den ab dem
kommenden Jahr finanzstarke zugunsten notleidender Städte an
Rhein und Ruhr entrichten sollen. Sechzig reiche Kommunen hat
NRW-Kommunalminister Ralf Jäger für seine „Solidaritätsumlage“
ausgemacht. Sie sollen mit insgesamt 182 Millionen Euro zur
Kasse gebeten werden. Profitieren würden von dem Geld 27 hoch
verschuldete Städte, beispielsweise Essen, Gelsenkirchen oder
Herne. „Nur wenn Land und Kommunen an einem Strang ziehen, haben
hoch belastete Städte und Gemeinden wieder die Chance, zu einer
selbstbestimmten Haushaltspolitik zurückzukommen“, sagt Jäger. Die geplante Umlage ist der umstrittenste
Teil des milliardenschweren „Stärkungspakts Stadtfinanzen“, den
die rot-grüne Landesregierung gegen die drohende Überschuldung
vieler Städte beschlossen hat. Insbesondere in Monheim sorgt die
Umlage für helle Aufregung. Denn rund 46 Millionen Euro, also ein Viertel
der Summe, soll die zwischen Köln und Düsseldorf gelegene
Kleinstadt aufbringen. Womit sie der größte Zahler wäre, weit
vor der ebenfalls schuldenfreien Landeshauptstadt Düsseldorf,
die nur 27 Millionen Euro zahlen soll. 42.000 Einwohner hat Monheim. Vor vier Jahren
wählten sie Daniel Zimmermann von der Jugendpartei Peto zu ihrem
Bürgermeister. Peto wurde neben der CDU zur stärksten Fraktion
im Rat. Der Name der Partei, die er mit vier anderen
Gymnasiasten 1999 gegründet hat, bedeutet auf Lateinisch „ich
fordere“.
Stadtentschuldung durch
eine „goldene Mohrrübe“ Als der damals 27-Jährige 2009 sein Amt
übernahm, war auch seine Gemeinde noch verschuldet. Dann setzte
Peto im Rat gemeinsam mit der SPD mit knapper Mehrheit die
Absenkung des Gewerbesteuerhebesatzes, mit dem die Gewerbesteuer
errechnet wird, von 435 auf 300 Punkte durch und verringerte
damit die Steuerlast der Unternehmen. Seitdem prosperiert die
Stadt, weil zahlreiche Unternehmen das Steuergeschenk gern
annahmen. Die Stadt entschuldete sich. Die zwischen 5
und 6 Millionen Euro, die Monheim bis vor drei Jahren noch
jährlich an Zinsen zahlen musste, investiert die Stadt nun in
Mehrausgaben: die Abschaffung der Elternbeiträge für die Kita,
neue Obdachlosenprojekte, die Sanierung von Spielplätzen oder
des Schwimmbads. Mit der Senkung der Gewerbesteuer habe
Monheim Unternehmen „eine goldene Mohrrübe“ vor die Nase
gehalten und „mitten in NRW eine Steueroase geschaffen“,
schimpfte im Bundestagswahlkampf Ex-NRW-Ministerpräsident und
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Zimmermann lässt solche Vorwürfe jedoch nicht
gelten. Seine Stadt habe „nur den gesetzlich definierten
Spielraum bei der Gestaltung unserer Hebesätze“ genutzt. Das
will der schlaksige Jungpolitiker weiter so halten – mit
Unterstützung aller im Rat vertretenen Parteien. Auf der
nächsten Ratssitzung soll der Hebesatz jetzt nochmals auf 285
Punkte gesenkt werden, der Landesdurchschnitt liegt bei 412
Punkten. Dem Land wirft er eine falsche Berechnungssystematik vor, die auf fiktiven und theoretischen Werten basiere. „Das Land rechnet uns künstlich reich“, sagt Zimmermann. „Falls dieses Gesetz in Kraft tritt, werden wir wieder Kredite aufnehmen müssen.“ Minister Jäger weist die Kritik zurück: „Wir verteilen die Lasten gerecht auf möglichst viele Schultern“, verspricht er. |
© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors. |