20.11.2013

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taz

 Telefonspiele beim Radio
Von Pascal Beucker

STREIT WDR-Intendant Tom Buhrow will Valerie Weber zur Hörfunkdirektorin küren. Das gefällt nicht allen. Denn sie kommt vom Münchner Privatsender Antenne Bayern.

Intendant Tom Buhrow sorgt für schlechte Stimmung beim Westdeutschen Rundfunk (WDR). Für diesen Mittwoch hat die Redakteursvertretung eine außerordentliche Redakteursversammlung angesetzt, zu der auch er eingeladen ist. Dort dürfte es heiß hergehen. Denn diskutiert werden soll eine höchst umstrittene Personalentscheidung: Mit Valerie Weber will Buhrow ausgerechnet eine Privatradiomanagerin zur neuen Hörfunkdirektorin in der größten ARD-Anstalt machen.

Weber soll die Nachfolge von Wolfgang Schmitz antreten, dessen Vertrag Ende April ausläuft. Neben ihr rückt WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn zum Fernsehdirektor auf. Er ersetzt Verena Kulenkampff. Es sind die beiden ersten großen Personalentscheidungen Buhrows seit seinem Amtsantritt am 1. Juli. Weber sei "eine der erfolgreichsten Radiofrauen in Deutschland" und eine "vielseitige, leidenschaftliche und analytische Strategin", schwärmt er von der derzeitigen Programmdirektorin und Geschäftsführerin von Antenne Bayern.

Seine Begeisterung teilen nicht viele Mitarbeiter im WDR. Im Sender kursiert eine Protestresolution, die über 150 Redakteure unterschrieben haben. Sie fragen sich, ob die 47-jährige Münchnerin, "die ihre Erfolge ausschließlich im Privatfunk erzielt" habe, "plötzlich überzeugte Anhängerin des öffentlich-rechtlichen Systems sein und es in diesen schwierigen Zeiten mit Leidenschaft führen und nach außen verteidigen" könne.

Buhrow versichert, Weber sei seine Wunschkandidatin. Doch daran bestehen Zweifel. Lange wurde 1Live-Chef Jochen Rausch als aussichtsreichster Kandidat für den Posten gehandelt. Doch er kam nicht infrage, da Schönenborn als Fernsehdirektor als gesetzt galt. Eine rein männliche WDR-Spitze wäre nicht nur im Rundfunkrat auf wenig Verständnis gestoßen. Zu denkbaren Kandidatinnen gehörte auch Jona Teichmann, die Leiterin des Landesprogramms Hörfunk. Aber die ist die Ehefrau von Schönenborn. Auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern wurde Ausschau gehalten. So sollen Emissäre Buhrows bei der Chefin von HR-Info, Katja Marx, vorgefühlt haben. Die habe aber nicht nach Köln wechseln wollen.

Fakt ist, dass Valerie Weber eine erfolgreiche Radiomanagerin ist. Unter ihrer Ägide wuchs Antenne Bayern zur stärksten deutschen Einzelwelle. Der Münchner Privatsender kommt auf stolze 1,29 Millionen Hörer pro Stunde. Zum Vergleich: 1Live, die quotenstärkste WDR-Welle, liegt bei 1,1 Millionen. Allerdings lässt sich der Dudelfunk, mit dem Weber bislang reüssiert, nur schwer mit dem Anspruch eines gebührenfinanzierten Senders zusammenbringen. Denn sie steht für konsequenten Kommerzfunk und seichteste Unterhaltung. Eine Vorliebe wird ihr für schlichte, aber dafür eng auf Werbepartner abgestimmte Telefongewinnspiele nachgesagt. In manchen WDR-Redaktionen hängen bereits entsprechende Zitate von Weber. "Nur sinnlose und zweckfreie Spiele lassen Menschen zu sich finden", soll sie auf einer Tagung 2006 gesagt haben. "Je sinnloser, desto erfolgreicher sind sie."

Auf Facebook kommentierte WDR-Urgestein Manfred Breuckmann mit bissiger Ironie, Weber sei eine "ausgewiesene öffentlich-rechtliche Radio-Persönlichkeit, kennt sich im Land aus und kann die Notwendigkeit von Radio-Rätseln theoretisch ableiten". Er hoffe, dass auch der Rundfunkrat "die überbordende Qualifikation" der Kandidatin erkenne. Am Freitag stimmt das Gremium über die Neubesetzungen ab. Ein negatives Votum dürfte es allerdings nicht geben. Mit einer Demontage Buhrows würde der Rundfunkrat schließlich die eigene Intendantenauswahl infrage stellen, heißt es.


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