10.03.2014

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taz

 Abgang eines Katholiban
Kommentar von Pascal Beucker über die Verabschiedung von Kardinal Joachim Meisner

Es waren Abschiedsveranstaltungen, ganz wie es sich Joachim Meisner gewünscht haben dürfte. Weder bei der weltlichen Feierstunde im Kölner Gürzenich noch beim anschließenden Pontifikalamt im Hohen Dom zu Köln war am Sonntag ein kritisches Wort über das Wirken des Kardinals zu vernehmen, der ein Vierteljahrhundert lang die katholischen Geschicke in der Domstadt bestimmt hat. Er sei "kein Mann des seichten Wortes", sondern "ein Kirchenmann mit großer Geistes- und Wortgewalt", lobte ihn Nordrhein-Westfalens stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann.

Doch für solche diplomatische Zurückhaltung, wie sie die Grüne Löhrmann praktiziert, besteht kein Anlass. Wer über Meisner redet, darf nicht von seinen geradezu chronischen verbalen Ausfällen schweigen. Nicht nur, weil ihm in seinem Kampf gegen das vermeintlich Böse kaum ein NS-Vergleich zu geschmacklos erschien, war er als Kölner Erzbischof eine Zumutung. Aus Meisner lässt sich kein sympathischer rheinischer Don Camillo machen. Die "Katholikenphobie", die er beklagte, hat er mit verursacht.

Meisner ist eine Art Katholiban, ein Gotteskrieger, der die moderne pluralistische und säkulare Gesellschaft mit Inbrunst bekämpfte. Während seiner Amtszeit traten in Deutschlands größtem und reichstem Erzbistum mehr Gläubige aus der katholischen Kirche aus als in allen anderen deutschen Diözesen. Die Zahl der Gottesdienstbesucher hat sich mehr als halbiert. Das dürfte auch an seiner knallharten innerkirchlichen Machtpolitik gelegen haben, die keinen Platz für Widerspruch lies. Für Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger war Meisner genau der richtige Mann am richtigen Ort. Die spannende Frage wird sein, ob bei der Nachfolgesuche Jorge Mario Bergoglio, der heutige Papst, auf Kontinuität oder Bruch setzt.


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