29.03.2014 |
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Beifallsstürme für einen ungeliebten Gleichgesinnten |
Von Pascal Beucker |
RECHTE In Köln bejubeln Anhänger der Alternative für Deutschland den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage und dessen Attacken gegen die EU - zum Leidwesen der AfD-Parteiführung um Bernd Lucke. Am Schluss seiner Rede gerät Nigel Farage ins
Schwärmen. Die Alternative für Deutschland (AfD) habe viele
brillante Leute in ihren Reihen: Ökonomen, Akademiker und
Geschäftsleute. "Ich wünsche der Partei sehr viel Glück", ruft
der schillernde britische Politiker in den vollen Saal. Es sei
"sehr, sehr wichtig, dass Sie jetzt eine politische Partei in
Deutschland haben, die AfD, die Sie wählen können". Seine
enthusiastischen Worte gelten einer Partei, die ihn eigentlich
gar nicht mag. Zumindest behauptet das deren Bundesvorsitzender
Bernd Lucke. Die AfD-Mitglieder, die sich am
Donnerstagabend im Kölner Maritim versammelt haben, sehen das
anders. Das überwiegend ältere männliche Publikum ist begeistert
von dem eloquenten Farage. Mit seinen scharfen Attacken gegen
die Europäische Union trifft der Vorsitzende der United Kingdom
Independence Party (UKIP) genau ihren Nerv. Rund 350 Gäste sind
der Einladung der Jungen Alternative (JA) gefolgt, um den
britischen EU-Gegner live zu erleben – weit mehr, als das kleine
Häuflein antifaschistischer Gegendemonstranten, das vor der Tür
gegen den Auftritt des Rechtspopulisten protestiert. Farage,
dessen Partei derzeit in Großbritannien in den Umfragen auf über
25 Prozent der Wählerstimmen kommt, genießt seinen Aufritt.
"Endlich weht ein euroskeptischer Wind durch ganz Nordeuropa",
jubiliert der Europaabgeordnete. Mit einem Anteil von 20 bis 25 Prozent an
Euroskeptikern rechnet Farage im nächsten Europaparlament. Die
AfD zählt er selbstverständlich dazu. Ob sie mit seiner Ukip
eine gemeinsame Fraktion bilden wird, ist unklar. Um den
Eindruck zu vermeiden, die AfD suche die Nähe zu
Rechtspopulisten, hat sich zwar Parteichef Lucke bislang stets
von Farage abgegrenzt. Stattdessen will er lieber mit den
britischen Konservativen zusammenarbeiten. Doch die haben
bereits abgewunken. Mit Farage auf der Bühne sitzt AfD-Mitgründer
Martin E. Renner. Der gelernte Betriebswirt nimmt für sich in
Anspruch, Parteinamen und -logo ersonnen zu haben. Mit dabei ist
auch Marcus Pretzell, der am vergangenen Wochenende in den
AfD-Bundesvorstand gewählt wurde. Bei der Europawahl kandidiert
der Bielefelder Rechtsanwalt auf Platz 7 der AfD-Liste. Die
Aufgabenverteilung zwischen den beiden klappt perfekt. Der
aalglatte Pretzell versucht, den seriösen Politiker zu geben.
Deswegen verzichtet er auf all zu scharfe Töne und wahrt auch
die Distanz zu Farage.
Interessante Gemeinsamkeiten Zwar gebe es "viele interessante
Gemeinsamkeiten", doch in einem wichtigen Punkt unterscheide man
sich: Im Gegensatz zu dem Briten halte er die EU für
reformierbar. "Ich glaube nicht, dass es aus deutscher Sicht
wirklich praktikabel und sinnvoll ist, aus der Europäischen
Union auszusteigen", sagt Pretzell. Die BRD sei "eben keine
Insel im Nordatlantik". Das sei "der wesentliche Dissens, den
die Ukip und die AfD haben, dass wir als eine Partei, die für
Deutschland in das Europäische Parlament einziehen möchte, eben
deutsche Interessen vertreten". Mit wem die AfD im
Europaparlament eine Fraktion bilden wird, darauf will sich
Pretzell "aktuell nicht festlegen". Nur eine Einschränkung macht
er: "Zumindest ich persönlich möchte nicht mit dem Front
National kooperieren." Keinen größeren Dissens haben die AfDler und
der Ukip-Mann an diesem Abend, wenn es um das Thema Zuwanderung
geht – zur Freude des wohlstandschauvinistischen Klientel, das
sich im Maritim-Hotel versammelt hat. Der Kampf gegen
"Multikulti" ist der Part von Martin E. Renner. Heftig geißelt
er "die Generosität, mit der jedwede Zuwanderung durch die
deutschen Eliten begrüßt und auf Assimilation verzichtet" werde.
Deutschland müsse "darauf bestehen, dass alle Einwanderer unsere
Werte, Bräuche, Rechts- und Moralvorstellungen, sowie das
kulturelle Erbe der Aufnahmegesellschaft für sich annehmen und
auch leben wollen". Deswegen könne es "von seinen Einwanderern
und ihren Nachgeborenen eine bewusste Entscheidung für die
Übernahme der neuen – unserer – kulturellen Identität
verlangen". Das Publikum klatscht dankbar Beifall. Renner zählt in der AfD zum
nationalkonservativen Flügel. In der Parteiführung ist er
inzwischen nicht mehr wohlgelitten. Denn er ist derjenige, der
Farage nach Köln geholt hat. Im November vergangenen Jahres
trafen sich die beiden in Brüssel – zum Leidwesen von Lucke.
Damals habe ihm Farage versprochen, nach Deutschland zu kommen,
berichtet Renner. Da die AfD-Bundesspitze jedoch um Abgrenzung
von der Ukip bemüht ist, dauerte es eine Weile, bis mit der erst
im Februar gegründeten JA ein formal anderer Veranstalter
gefunden werden konnte. Das Event ist ein kalkulierter Affront
gegen Lucke. Der Auftritt von Farage stehe "im Widerspruch zu
einem Beschluss des AfD-Bundesvorstands", teilt Parteisprecher
Christian Lüth mit.
Schriftliche Fragen Von einer "Bildungsveranstaltung einer
Jugendorganisation", die mit der Partei nichts zu tun habe,
spricht der JA-Bundesvorsitzende Philipp Ritz. Die rechten
Jungspunde sind tunlichst bemüht, alles unter Kontrolle zu
behalten. Kein Eklat soll das innerparteilich heikle Treffen
belasten. Teilnehmer mussten sich vorab unter Angabe seiner
Personalausweis- oder Reisepassnummer anmelden. Redebeiträge aus
dem Publikum sind nicht vorgesehen. Wer eine Frage stellen will,
muss sie "schriftlich einreichen oder zu Protokoll geben".
Entsprechend wenig spektakulär verläuft die "Diskussion". Als
Gastgeschenk bekommt Farage zum Abschluss ein 5-Liter-Fäschen
Kölsch überreicht. Journalisten, die nicht nur über die
Veranstaltung schreiben wollten, wurde zwei Tage vorher eine
zweiseitige "Vereinbarung über die Anfertigung von Bild-, Video-
und Tonaufnahmen" zugeschickt. Darin sollten sie sich unter
anderem verpflichten, keine Aufnahmen vom Sicherheitspersonal
der Veranstalter zu veröffentlichen. Außerdem sollten die
Journalisten sich verpflichten, die Akkreditierung deutlich
sichtbar am Körper tragen und "Weisungen des Veranstalters
unverzüglich Folge zu leisten". Bei Zuwiderhandlungen drohe eine
Vertragsstrafe von 10.000 Euro. Mit "ladungsfähiger Anschrift"
versehen, sollte diese - juristisch kaum haltbare - Vertrag
"unterschrieben, gestempelt beziehungsweise gesiegelt und
getackert" mitgebracht werden. Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte empört. "Das stellt einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit dar", urteilte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. "Nach den Tiraden des AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegen die Medien auf dem Bundesparteitag steht das Demokratieverständnis dieser Partei in Frage." Eiligst distanzierte sich der AfD-Bundesvorstand, "klar von dem medienfeindlichen Verhalten der Jungen Alternative und fordert diese auf, in ihrem eigenen Interesse den Medienvertretern zu jeder öffentlichen Veranstaltung freien und ungehinderten Zutritt zu gewähren". |
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