09.04.2014

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taz

 Ist ein Ja der Linkspartei nötig?
Von Pascal Beucker

C-WAFFEN Heute stimmt der Bundestag über die Beteiligung der Bundeswehr an der Vernichtung syrischer Chemiewaffen ab. Die Position der Linkspartei ist strittig. Ein Debattenbeitrag.

Worum geht es bei dem Konflikt in der Linkspartei? Geht es wirklich um die Frage, ob sie eine sinnvolle Abrüstungsinitiative unterstützen soll? Meint irgendjemand derjenigen, die dem Bundeswehreinsatz im Mittelmeer ihre Zustimmung geben wollen, dass es ernsthaft des maritimen Begleitschutzes bewaffneter deutscher Streitkräfte für ein Schiff der US-Marine bedarf?

Dass sich Deutschland aktiv an der Vernichtung syrischen Giftgases beteiligen sollte, ist auch in der Linkspartei unumstritten. Deswegen gibt es auch keinen Streit darüber, dass die BRD ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird, die bei der Zerstörung der Chemiewaffen anfallenden Reste im niedersächsischen Munster zu entsorgen. Aber braucht es einen militärischen Out-of-area-Einsatz?

Ob die Fregatte "Augsburg" in See stechen wird, hängt nicht von den Stimmen der Fraktion der Linken ab. Der Bundestag wird mit einer über 90-prozentigen Mehrheit dafür stimmen. Das Abstimmungsverhalten der Linkspartei ist nur aus einem Grund relevant: Es geht darum, sie "regierungsfähig" zu machen. Das ist ein zynischer, weil instrumenteller Umgang mit einer - gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit - fundamentalen Frage.

Wie einst bei den Grünen ist auch für die Linkspartei die Aufgabe ihrer friedensbewegten Positionen Bedingung für das angestrebte Entree in die Bundesregierung. Darauf arbeiten "Reformer" wie Stefan Liebich schon seit einiger Zeit beharrlich hin. Sie wollen, dass nicht mehr jeder Einsatz der Bundeswehr im Ausland abgelehnt, sondern von Fall zu Fall entschieden wird. Heute Begleitschutz im Mittelmeer, morgen der erste Blauhelm-Einsatz. Übermorgen für die erste Kriegsbeteiligung? Diesen Weg haben SPD und Grüne bereits hinter sich. Was mit der Entsendung blau behelmter Bundeswehrsanitäter nach Kambodscha begann, endete mit der Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Jugoslawien.

Bis Anfang der neunziger Jahre war es Common Sense, dass die Außenpolitik der BRD eine rein nichtmilitärische ist. "Ich begreife eine Politik für den Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche", sagte Willy Brandt bei seiner Nobelpreisrede 1971. War er deswegen "politikunfähig"? Heute lehnt zwar der Großteil der Bevölkerung deutsche Militäreinsätze im Ausland ab. Im Bundestag gibt es jedoch nur noch die Linkspartei, die nicht ihren Frieden mit dem Krieg gemacht hat.

Wenn sie das Einzige aufgibt, was sie elementar von den anderen im Bundestag vertretenen Parteien unterscheidet, wird sie vielleicht einmal mitregieren dürfen. Aber Antimilitaristen und Pazifisten hätten dann keine einzige Stimme mehr im Parlament. Die Grünen haben ihren Transformationsprozess überlebt. Bei der Linkspartei wäre das nicht sehr wahrscheinlich. Es wäre traurig, wenn ein Karl Liebknecht oder ein Carl von Ossietzky nicht einmal hier mehr Platz finden würden.


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