10.06.2014

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taz

 Ein Fest als Versuch einer Entschuldigung
Kommentar von Pascal Beucker zum zehnten Jahrestag des Nagelbombenanschlags in Köln

Das Fest rund um die Kölner Keupstraße ist geworden, wie es geplant war: ein Megaevent. Der Bundespräsident hielt die erwartete salbungsvolle Predigt und anschließend erfreuten sich die Massen an den alten Gassenhauern von Lindenberg, Niedecken, Maffay & Co. Zynisch ließe sich formulieren, die Kölnerinnen und Kölnern lassen sich eben keine Gelegenheit zum Feiern entgehen.

Aber zu Zynismus besteht kein Anlass. Diese Großveranstaltung an Pfingsten mag auf den ersten Blick wohlfeil erscheinen. Schließlich kommt sie reichlich spät. Genau genommen zehn Jahre zu spät. Aber sie war trotzdem richtig und wichtig. Denn sie hat den türkeistämmigen Menschen, die auf der Keupstraße leben und arbeiten, gutgetan. Endlich wurde ihnen die Wertschätzung entgegengebracht, die ihnen so lange vorenthalten wurde. So jedenfalls haben sie es empfunden. Nur darauf kommt es an.

Der Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004 hat Wunden gerissen, die bis heute nicht verheilt sind. Dafür verantwortlich sind Politiker wie der damalige Bundesinnenminister Otto Schily oder sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Fritz Behrens, die allzu schnell den Eindruck vermittelten, ein rechtsextremistisches Tatmotiv auszuschließen. Verantwortlich sind Ermittlungsbehörden, die in "alle Richtungen" ermittelten, nur konsequent nicht in die richtige. Verantwortlich sind schließlich auch die Medien, denen die offenkundigen Widersprüche nicht auffallen wollten. Weil es für die deutsche Gesellschaft bequemer war, auf dem rechten Auge blind zu sein. Lieber ließ man es zu, dass die Opfer zu Tätern gemacht wurden. Bis der NSU sich selbst enttarnte. Diese Schande wird bleiben.

Ein einzelnes Fest allein reicht nicht, um die aufgerissenen Wunden zu schließen. Aber es hat wenigstens etwas Linderung gebracht. Denn es war eben nicht nur eine große Party. Auch die zahlreichen Informations- und Diskussionsveranstaltungen waren gut besucht. Die Besucher machten, was die Ermittler so sträflich unterlassen hatten: Sie hörten den Opfern zu, zeigten Anteilnahme an ihrem Schicksal. Dieses Pfingstwochenende war der kollektive Versuch, bei den Menschen der Keupstraße um Entschuldigung zu bitten. Ein Anfang. Es wird sich zeigen, wie ernst es die Mehrheitsgesellschaft meint. Seine Alltagstauglichkeit muss das Veranstaltungsmotto jedenfalls erst noch beweisen: Birlikte - Zusammenstehen!


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