25.06.2014 |
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Innenminister tadelt Nazigegner |
Von Pascal Beucker |
NRW
Neonazis wollten das Dortmunder Rathaus stürmen. Ein offizieller
Bericht kritisiert nun GegendemonstrantInnen - und erntet
Empörung
Für Empörung sorgt ein Bericht des
nordrhein-westfälischen Innenministeriums über den versuchten
Rathaussturm von Neonazis in Dortmund, mit dem sich am
Donnerstag der Innenausschuss des Landtags befasst. Darin werden
heftige Vorwürfe gegen die DemonstrantInnen erhoben, die sich am
25. Mai den militanten Rechtsextremen entgegengestellt hatten.
Demgegenüber sei der Einsatz der Polizei „sachgerecht“,
„professionell“ und „verhältnismäßig“ gewesen. Am Abend der Europa- und Kommunalwahl
hatten rund 30 Anhänger der Partei „Die Rechte“ versucht, sich
Zugang zur städtischen Wahlparty zu verschaffen. Anlass war der
Einzug ihres Spitzenkandidaten Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt in
den Stadtrat. Ihnen entgegen stellten sich etwa hundert
GegendemonstrantInnen, darunter zahlreiche RatspolitikerInnen.
Bei dem rechten Angriff wurden zehn Menschen verletzt. Der
Vorfall sorgte bundesweit für Entsetzen. Mit einer solchen Eskalation sei im Vorfeld
nicht zu rechnen gewesen, heißt es in dem 12-seitigen Bericht
des NRW-Innenministeriums, der auf den Angaben des
Polizeipräsidiums Dortmund und des Landesamtes für Zentrale
Polizeiliche Dienste basiert. „Übereinstimmend sahen weder die
Vertreter der Stadt Dortmund noch der Polizei in einem möglichen
Erscheinen von Angehörigen der rechten Szene auf der Wahlparty
ein erhöhtes Gefahrenpotential, welches Maßnahmen städtischer-
oder polizeilicherseits erforderlich machen würde“, ist dort
erstaunlicherweise zu lesen. Die Polizei sei ohnehin davon ausgegangen,
dass die Neonazis gar nicht ins Rathaus kommen würden.
Schließlich hätten sich Beamte des Staatsschutzes an den Tagen
zuvor mit einem der führenden Dortmunder Nazi-Kader unterhalten.
Dieser habe versichert, ein Besuch der Wahlparty sei „nicht
geplant“. Als die Neonazis dann doch kamen, war die Polizei
nicht vor Ort und musste erst eilig herbeigerufen werden. Den
Einsatzkräften sei es jedoch „unter Eingehung eines hohen
Eigenrisikos“ schnell gelungen, „die aggressiven Parteien
voneinander zu trennen“.
Polizei will nichts
gemerkt haben Obwohl zahlreiche Videoaufnahmen
dokumentieren, wie die Neonazis vor dem Rathaus Parolen wie
„Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ skandierten, will
die Polizei davon nichts mitbekommen haben. Der
Dienstgruppenleiter vor Ort habe berichtet, „dass er zu keinem
Zeitpunkt das Rufen volksverhetzender Parolen oder Singen der
ersten Strophe des 'Deutschlandliedes' durch die gesamte Gruppe
wahrgenommen habe“. Schwere Vorwürfe werden hingegen gegen
„Bürgerliche und Antifa“ erhoben:
Ihr Verhalten habe „in erheblichem Maße“ dazu
beigetragen, „dass eine völlige Befriedung der Situation nur
durch den Einsatz weiterer Kräfte zur Trennung der Parteien
sichergestellt werden konnte“. Während „die Angehörigen der
rechten Gruppierung ohne größeren Widerstand“ die polizeilichen
Maßnahmen hätten über sich ergehen lassen, seien „auf der
anderen Seite“ die Amtshandlungen von „deutlich alkoholisierten
Politikern“ erheblich gestört worden. Gerne wäre die Polizei wohl entschlossen
gegen sie vorgegangen. „Da die Kräftelage für eine Umstellung
der größeren Personengruppe aus linkem/bürgerlichem Spektrum
nicht ausreichend war, mussten strafprozessuale Maßnahmen auf
diese 5 Personen, die konkret durch Angehörige der rechten Szene
beschuldigt wurden, Körperverletzungsdelikte zu deren Nachteil
begangen zu haben, beschränkt werden“, formuliert bedauernd das
Innenministerium in bestem Bürokratendeutsch. Mitunter macht die Darstellung des
Ministeriums den Eindruck, als ginge es hier nicht um eine
Auseinandersetzung zwischen DemokratInnen und Neonazis, sondern
seien Fans von Borussia Dortmund auf die von Schalke 04
getroffen: „Durch das Entfernen einer der beiden streitenden
Gruppierungen vom Friedensplatz sollte letztlich auch eine
Beruhigung der immer noch aufgeheizten Stimmung herbeigeführt
werden.“ Während die Neonazis triumphierend von einem „Super-GAU für Dortmunds Politikerszene“ sprechen, reagieren DemokratInnen schockiert auf die eigenwillige polizeiliche Schilderung der Ereignisse. „Ich finde den Bericht skandalös“, sagt die Dortmunder Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger. Bei der Lektüre sei ihr „die Spucke weggeblieben“. Die 53-jährige Grüne gehörte zu jenem „linken/bürgerlichen Spektrum“, das sich der rechten Schlägerbande entgegengestellt hatte. Mit schmerzlichen Konsequenzen: Der „Autonome Nationalist“ Dietrich S. streckte sie mit einem Faustschlag nieder. Die Darstellung der Polizei „verdreht Opfer und Täter an diesem Abend“, kritisiert Schneckenburger. Sie erwartet eine „sehr kritische Debatte“ im Innenausschuss. |
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