21.07.2014 |
Startseite taz |
Die gute Seele der Bewegung |
Von Pascal Beucker |
Auch wenn die Demos kleiner wurden:
Über 30 Jahre kämpfte der Pazifist und Geschäftsführer des
Netzwerks Friedenskooperative Manfred "Mani" Stenner für eine
bessere Welt. Mitte Mai auf dem Friedensplatz in Bonn.
Das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ hat zum Protest gegen eine
Wahlkampfveranstaltung der extrem rechten Partei „Pro NRW“
aufgerufen. Ein paar hundert Menschen sind gekommen. Neben der
kleinen Bühne steht Manfred „Mani“ Stenner und dreht sich
entspannt eine Zigarette. Er ist in die Jahre gekommen, sein
schütteres Haar mittlerweile grau. Seine Stimme hat sich
allerdings nicht verändert. Sie ist so sanft wie immer. Es ist
nicht die erste Kundgebung, die der Geschäftsführer des
Netzwerks Friedenskooperative organisiert hat. Aber was sich
keiner in diesem Augenblick vorstellen kann: Es wird seine
letzte sein. Mehr als dreißig Jahre ist es her, dass
Mani Stenner die größte Demonstration seines Lebens mit
vorbereitet hat. Das war am 22. Oktober 1983. Rund eine halbe
Million Menschen strömten damals auf den Bonner Hofgarten, um
gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss zu protestieren. Stenner
war als Sprecher des Bonner Friedensplenums mittendrin. Der
gewaltfreie Kampf für eine friedlichere, eine bessere Welt wurde
zu seiner Lebensaufgabe. Geboren 1954 im sauerländischen Hemer,
hatte der Zivildienst Stenner mit 19 Jahren nach Bonn
verschlagen. In der damaligen Bundeshauptstadt begann er
anschließend zu studieren: Germanistik, Soziologie und
Pädagogik. Mit dem Aufkommen der Friedensbewegung Ende der
siebziger, Anfang der achtziger Jahre geriet für den überzeugten
Pazifisten das Studium alsbald in den Hintergrund. 1985 machte der Koordinierungsausschuss der
Friedensbewegung Stenner zum Geschäftsführer. Aus dem
ehrenamtlichen wurde ein hauptberuflicher Friedensaktivist. Das
blieb er auch, nach dem der zentralistische
Koordinierungsausschuss Ende der achtziger Jahre zu einem eher
losen Netzwerk umgewandelt wurde.
Keine Gedanken ans
Aufgeben Ob für den Frieden, für den Erhalt des
Asylrechts oder gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Die
Demonstrationen, die Stenner organisierte, sind mit den Jahren
zwar kleiner geworden. Aber ans Aufgeben dachte er nicht. „Das
waren eben andere Zeiten“, sagte er nur, wenn er mal wieder
darauf angesprochen wurde, dass früher doch viel mehr auf die
Straße gegangen seien. Von seinem kleinen Bonner Büro aus hat
Stenner viele Bewegungen kommen und gehen sehen. Er ist
geblieben. Was ihn auszeichnete war seine seltene Fähigkeit,
unterschiedliche politische Strömungen zusammenzuführen. Er
konnte mit Sozialdemokraten, Gewerkschaftern oder
Kirchenvertretern ebenso gut reden wie mit Kommunisten oder
Autonomen. „Mani trat vor allem als großer Organisator in
Erscheinung, aber wenn er etwas sagte, dann hieß es zuhören,
denn er war zugleich ein überaus kluger Kopf“, erinnert sich der
frühere Vorsitzende des Aachener Friedenspreises Otmar
Steinbicker an ihn. Am Donnerstag erteilte er noch den Druckauftrag für die nächste Ausgabe des FriedensForums, der Zeitung des Netzwerks Friedenskooperative. Kurz darauf erlitt Mani Stenner eine Herzattacke. Er wurde nur 60 Jahre alt. |
© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors. |