15.09.2014

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taz

 Moped im Museum, Rollstuhl für die Witwe
Von Pascal Beucker und Anja Krüger

GESCHICHTE Köln ehrt die Einwanderer der 1960er Jahre mit einer Gedenktafel. Der Millionste von ihnen starb schon 1979.

Honoratioren schüttelten seine Hände. Fotografen richteten ihre Objektive auf ihn. Die Werkskapelle von Felten & Guilleaume intonierte "Auf in den Kampf, Torero". Nach 48-stündiger Zugfahrt von Lissabon nach Köln, nahm Armando Rodrigues de Sá mit verlegener Miene sein Begrüßungsgeschenk entgegen: eine Zündapp Sport Combiette. Die Arbeitgeberverbände hatten ihn 1964 zum einmillionsten "Gastarbeiter" erkoren. Heute gehört das Bild des hageren Mannes mit dem breitkrempigen Hut und verschlissener Jacke auf dem Moped zum kollektiven Gedächtnis der BRD.

Vor dem Bahnhof Köln-Deutz, wo de Sá am 10. September 1964 gemeinsam mit 172 Landsleuten und 933 Spaniern ankam, enthüllten am Samstag Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, und dem portugiesischen Staatssekretär José Cesário eine Gedenktafel : "Den Eingewanderten gewidmet". Initiiert hatte die kleine Zeremonie, zu der auch die de-Sá-Kinder João und Maria Rosa sowie Enkel Antonio aus Portugal angereist waren, ein Kreis portugiesischer Einwanderer.

Heute leben in Deutschland noch etwa 120.000 Portugiesen. Eine kleine Gruppe, angesichts mittlerweile mehr als 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. "Viele sind nach der Nelkenrevolution 1974 nach Portugal zurückgegangen", sagt Cristina Krippahl, die zum Organisationskreis gehört.

Armando Rodrigues de Sá blieb sechs Jahre. Nach einem Arbeitsunfall mit nicht vergehenden Schmerzen auf Heimaturlaub, prophezeite ihm ein Arzt: "Wenn du zurück nach Deutschland gehst, wirst du deine Knochen dort lassen." Er kehrte nicht zurück. Ein Tumor wurde diagnostiziert. Der Großteil seiner Ersparnisse ging für die Krankenbehandlung drauf. 1979 starb de Sá im Alter von nur 53 Jahren an Krebs. Das Moped, das er 1964 geschenkt bekam, kaufte Ende der 1990er Jahre das Bonner Haus der Geschichte seiner bis heute im nordportugiesischen Vale de Madeiros lebenden Witwe Maria Emilia Pais de Sá für 10.000 Mark ab. Davon kaufte sie sich einen elektrischen Rollstuhl.


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