29.10.2014

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taz

 Arbeitgeber dürfen sich freuen
Pascal Beucker mit einem Contra zum Tarifeinheitsgesetz

Es waren salbungsvolle Worte, mit denen die Bundesarbeitsministerin am Dienstag über ihr geplantes Tarifeinheitsgesetz informierte. Gleich mehrfach betonte Andrea Nahles, sie wolle keinesfalls das Grundrecht auf Streik antasten. Sie wolle nur die "Konsenskultur" und die "Verabredungskultur" stärken und "Anreize" für eine gütliche Einigung setzen, sagte Nahles. Was so harmlos klingt, ist in der Konsequenz ein massiver Eingriff in die verfassungsrechtlich verbriefte Koalitionsfreiheit der ArbeitnehmerInnen.

Das Vorhaben ist ein Skandal. Trotz aller Bekundungen soll den kleineren Gewerkschaften und damit unter Umständen ganzen Berufsgruppen de facto das Streikrecht genommen werden - nämlich jenen, bei denen sich die große Mehrheit in einer Gewerkschaft organisiert, die im Gesamtbetrieb in der Minderheit ist. Wie bei den Lokführern.

In der Hoffnung, die ungeliebten Spartengewerkschaften vom Hals zu bekommen, mag sich manche DGB-Gewerkschaft über die Planungen von Nahles freuen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen. Wirklichen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen, haben nur die Arbeitgeber. Denn sie allein bestimmen, welche Arbeitseinheiten zu einem Betrieb zusammengefasst oder ausgegliedert werden. Das bedeutet, dass sie künftig durch den jeweils passenden Zuschnitt auch noch die Hoheit erhalten, festzulegen, welcher Tarifvertrag kraft Mehrheit dominiert.

Die Bundesrepublik gehört zu den streikärmsten Ländern Europas. Da bedarf es keiner weiteren Reglementierungen. Schon jetzt unterliegt das deutsche Streikrecht starken und höchst problematischen Beschränkungen. So gehört der Generalstreik in anderen EU-Staaten zum klassischen Repertoire der Gewerkschaften, in Deutschland ist er verboten. Es wäre an der Zeit, über eine Ausweitung statt über die weitere Einschränkung des Streikrechts nachzudenken.


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