19.12.2014

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taz

 Bahnstreiks fallen erst mal aus
Von Pascal Beucker

TARIFKONFLIKT Die Deutsche Bahn hat mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer eine erste Einigung erzielt. Aber der Grundkonflikt ist damit noch nicht gelöst. Mitte Januar wird weiter verhandelt.

Die Jubelmeldung klingt zu schön, um wahr zu sein. Bei ihren Verhandlungen mit der Deutschen Bahn sei ein "Durchbruch" erreicht worden, schwärmte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky. Die Arbeitgeberseite bestehe erstmalig nicht mehr auf der Tarifeinheit. "Erreicht haben diesen Meilenstein unsere Mitglieder mit ihrer Kampfbereitschaft und ihrer Solidarität", sagte Weselsky.

Eine gewagte Interpretation. Tatsächlich hat sich die Bahn vor allem Luft verschafft. Bis zur zweiten Januarhälfte wird es keine neuen Streiks geben. Aber was dann kommt, ist völlig offen. Schon bei der nächsten Verhandlungsrunde am 19. Januar könnte die gute Laune der GDL wieder verflogen sein. Denn mit der am Mittwoch erreichten Einigung, dass das bei ihr organisierte Zugpersonal eine Einmalzahlung für das Jahr 2014 in Höhe von 510 Euro erhält, ist der Hauptwiderspruch noch nicht gelöst.

Die GDL habe mit der Bahn nicht nur einen Tarifvertrag für die Lokführer, sondern für das gesamte bei ihr organisierte Zugpersonal abschließen können, freute sich Weselsky. Damit habe die Arbeitgeberseite "erstmals unsere grundgesetzlich verbriefte Koalitionsfreiheit anerkannt". Nicht anerkannt hat sie allerdings die Forderung, mit der Lokführergewerkschaft eigenständige Tarifverträge abzuschließen, die von denen der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) abweichen. Die Bahn hat also keineswegs die Tarifeinheit aufgegeben. Das war jedoch bislang die Grundvoraussetzung der GDL für eine Einigung. "Der Grundkonflikt besteht nach wie vor", sagt EVG-Sprecher Uwe Reitz.

Bei der von der Bahn offerierten Einmalzahlung konnte das Problem ausgeklammert werden: Auch die EVG, der das inhaltsgleiche Angebot unterbreitet worden ist, signalisiert Zustimmung. Sie möchte nur den Kreis der Empfänger noch auf den bislang nicht berücksichtigen Dienstleistungsbereich, also die Reinigungskräfte und das Wachpersonal, sowie die Auszubildenden ausgeweitet sehen, um bei ihrer nächsten Verhandlungsrunde am 14. Januar zustimmen zu können. Falls das die Bahn akzeptiert, würde es in diesem Punkt zwei deckungsgleiche Abschlüsse geben - ganz so wie es sich der Bahnvorstand und die EVG immer gewünscht haben.

Die wirkliche Nagelprobe steht jedoch erst bevor. Denn die zentralen Forderungen der beiden Gewerkschaften sind nicht so leicht auf einen Nenner zu bringen. Also wird entweder eine der beiden Arbeitnehmervertretungen klein beigeben müssen, oder eine Verständigung dürfte kaum erreichbar sein.

Bei den jeweiligen Lohnforderungen sind sie noch nah beisammen: Die EVG fordert eine Gehaltssteigerung um 6 Prozent, als soziale Komponente mindestens 150 Euro mehr pro Monat. Die GDL strebt eine Erhöhung um 5 Prozent an. Die entscheidende Differenz: Die Lokführergewerkschaft will darüber hinaus noch eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 38 Stunden erreichen.

Im Vorfeld der Tarifverhandlungen hatte auch die Tarifkommission der EVG darüber beraten, ob sie eine Arbeitszeitverkürzung fordern soll, sich dann aber dagegen entschieden. Für die DGB-Gewerkschaft bedeutet das in der Konsequenz, dass auch die GDL nun diese Forderung aufgeben muss. Es sei undenkbar, dass ein Teil der Belegschaft eine kürzere Arbeitszeit bekomme, der andere Teil dafür mehr Lohn, sagt EVG-Sprecher Reitz. Eine solche Spaltung der Beschäftigten lehne die EVG ab. "Am Ende muss für alle das Gleiche rauskommen", sagte Reitz.


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