20.01.2000
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*  WestLB: Erst fliegen, dann spenden
Von Pascal Beucker

Grüne kritisieren Parteienfinanzierung / Für Clement alles eine Luftnummer.

Wolfgang ClementNur wenige Worte verlor Wolfgang Clement auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen SPD am Samstag in der Essener Grugahalle über "diese so genannte Flug-Affäre". Die "Luftnummer" um Flüge von NRW-Regierungsmitgliedern mit dem Flug-Service der Westdeutschen Landesbank (WestLB) würde "immer mehr zu einem schmuddeligen Kriminalgespinst". Er sei "froh, dass es diesen Untersuchungsausschuss gibt", erklärte der Ministerpräsident den Delegierten. Der Ausschuss würde sich "als ein Ehrenschutz für uns erweisen gegenüber manchem, was über uns - insbesondere über meinen Freund und Kollegen Heinz Schleußer - verbreitet worden ist".

Wenn er sich da mal nicht täuscht. Denn inzwischen liegt eine Aufstellung von Flügen vor, die die WestLB für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags zusammengestellt hat. Danach haben Mitglieder der NRW-Landesregierung von 1989 bis 1999 über einhundert Mal den Flugbereitschaftsdienst der Bank in Anspruch genommen. Alleine der frühere Ministerpräsident Johannes Rau ist seit 1989 42-mal mit der WestLB geflogen. Der Bundespräsident will in der nächsten Woche über seine Anwälte zu seinen Trips u.a. nach Brüssel, Innsbruck, Prag, Tel Aviv und Zürich Stellung nehmen. Doch schon jetzt steht fest: Er wird gehörige Anstrengungen unternehmen müssen, um den dienstlichen Charakter aller Flüge nachzuweisen.

Das gilt auch für Finanzminister Heinz Schleußer. Aufklärungsbedürftig bleibt beispielsweise, warum der Finanzminister zusammen mit seinen damaligen Kabinettskollegen Klaus Matthiesen und Hans Schwier am 14. 6.1990 für 11.001,87 Mark nach Sylt geflogen ist. Das Kölner Landgericht untersagte zwar mit einer Einstweiligen Verfügung dem Nachrichtenmagazin "Focus" die Behauptung, die drei Minister seien von dort zum Hochseefischen gefahren. Aber die Erklärung Schleußers, es sei darum gegangen, zusammen mit dem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister Küstenschutzmaßnahmen zu besichtigen, klingt zwar lustig, jedoch nur mäßig überzeugend. Ebenfalls ungeklärt ist der Charakter einer Reise Schleußers am 15.8.1996 nach Ljubljana. Nach seinen eigenen Angaben folgte er einer Einladung des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Sloweniens. Trotzdem besteht der 63-Jährige darauf, es habe sich nicht um einen Parteitermin, sondern um eine "Dienstreise" gehandelt. Für den CDU-Landtagsfraktionschef Laurenz Meyer hingegen "ist diese Reise ein reiner Privatflug".

Nach der WestLB-Aufstellung sind die entstandenen Kosten der Regierungsflüge höher, als die Landesregierung bisher angegeben hatte. Von einem Gesamtaufwand von 1,8 Millionen Mark seit 1985 hatte Regierungssprecher Klaus Klenke am vergangenen Montag gesprochen. Nun weist die erst 1989 beginnende Aufstellung schon 1,87 Millionen Mark auf. Kein Wunder, kostete doch beispielsweise alleine die Hin- und Rückreise Clements zur Verkehrsministerkonferenz nach Rostock am 19. und 20. September 1996 laut Liste 54.763 Mark. Bemerkenswert sind auch die Preisschwankungen auf einer Flugstrecke: Wurde ein einfacher Flug Raus von Düsseldorf nach Berlin am 29. September 1994 mit 16.296,10 Mark veranschlagt, kostete er am 20. November 1995 21.759,75 Mark. Trotzdem sieht die Landesregierung weiterhin keine Veranlassung für eine Überprüfung der ihr von der WestLB übermittelten Flugkostenrechnung.

Langsam wächst allerdings auch innerhalb der Grünen, die sich bislang aus Rücksicht auf den großen Koalitionspartner auffällig zurückhielten, der Unmut über das Agieren der Landesregierung in der "Flugaffäre". "Die Landesregierung muss nun endlich aus den Wolken hervorkommen und alle offenen Fragen präzise beantworten", verlangte der grüne Landessprecher Reiner Priggen. Und Landtagsfraktionssprecher Roland Appel forderte "strukturelle Konsequenzen". Regierungsgeschäfte und die wirtschaftliche Tätigkeit einer Bank müssten klar getrennt sein, so Appel. Das sei bisher nicht der Fall.

Besonders verärgert hat die Grünen die inzwischen bekannt gewordene Parteispendenfreudigkeit der WestLB. So erhielten SPD und CDU regelmäßig fünfstellige Zuwendungen von der öffentlich-rechtlichen Bank. Das sei "als indirekte Parteienfinanzierung zu werten, die ihre Grundlage nicht im Parteiengesetz hat", kritisierte der grüne stellvertretende Ministerpräsident Michael Vesper. Es könne nicht Aufgabe öffentlicher Unternehmen sein, ihre Gewinne an Parteien zu verteilen. Parteisprecher Priggen erstattete wegen dieser "rechtswidrigen Parteispenden-Praxis" am Wochenende Strafanzeige gegen den Vorstand der WestLB und forderte die Justiz auf, "alle in Frage kommenden Tatbestände" zu prüfen.

Während Ministerpräsident Clement die Anzeige als "billige populistische Masche" bezeichnete, erklärte CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers, die WestLB-Spenden an seine Partei seien "ein ganz normaler Vorgang". Nach Ansicht der WestLB hat die Bank bei ihren Spenden an politische Parteien stets im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften gehandelt. Welche Partei wie viel Geld erhalten hat, wollte ein WestLB-Sprecher nicht verraten.


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