29.08.2000



Zweite Wahl in Köln

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Aachener Nachrichten

*   Zweite Wahl in Köln
Von Pascal Beucker

Wer wird bis zum Jahr 2009 Kölns neuer Oberbürgermeister? Am kommenden Sonntag haben 715.000 Wahlberechtigte die Qual der Wahl. Zum Schlussspurt sollen hochrangige Parteifreunde die letzten Reserven mobilisieren.

Fritz Schramma (SPD)Am Dienstag rühren mit Rudolf Scharping und Christiane Bergmann gleich zwei SPD-Bundesminister die Trommel für ihre Kandidatin Anke Brunn. Am Tag darauf bietet die CDU ihre Bundesvorsitzende Angela Merkel auf, um für ihren Favoriten Fritz Schramma zu werben.

Der Einsatz der Parteiprominenz ist bitter nötig. Denn nach jüngsten Umfragen wird es ein ganz enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Während das Berliner Meinungsforschungsinstitut infratest dimap CDU-Mann Schramma vorne sieht, hat das Münchner polis-institut einen Vorsprung für die Sozialdemokratin Brunn ermittelt.

Stichwahl in zwei Wochen

Allerdings gehen beide Institute davon aus, dass kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann. In diesem Fall würde es am 17. September zur Stichwahl kommen.

Dann wird es vor allem auf die Wähler der Grünen und der Liberalen ankommen. Denn der Grünen Barbara Moritz werden über zehn Prozent der Stimmen prognostiziert. FDP-Mann Ralph Sterck kann mit vier Prozent rechnen.

Bemerkenswert: Über dreißig Prozent der Wähler haben sich noch nicht auf einen der insgesamt vierzehn Kandidaten festgelegt. Etliche Kölner zeigen sich unzufrieden über die zur Auswahl stehenden Kandidaten der beiden Volksparteien. Sie gelten nur als zweite Wahl.

Ins Fettnäpfchen getreten

Bisher ist es dem CDU-Kandidaten Schramma nicht gelungen, in die Fußstapfen seines populären Parteifreundes Harry Blum zu treten, der im März nach nur 169 Tagen im Amt überraschend verstorben war. Ins Fettnäpfchen tapste der 53-jährige Lateinlehrer mit der Ankündigung, die Bäume in der Stadt zurückschneiden lassen zu wollen, um freie Sicht auf Denkmäler und Plätze zu gewährleisten. Nach Bürgerprotesten ruderte Schramma zurück. Er habe mit seiner Bemerkung nur bezwecken wollen, dass die Kölner "mehr als bisher über das Kölner Stadtbild nachdenken".

"Schramma ist ein braver Mann", urteilt der emeritierte Kölner Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch - für einen, der Oberbürgermeister in einer Millionenstadt werden will, alles andere als ein Kompliment.

Eine Notlösung

Anke Brunn war ebenfalls eine Notlösung: Die SPD hätte lieber den Kölner Regierungspräsidenten Jürgen Roters nominiert. Erst als dieser abwinkte, war der Weg frei für die 57-jährige ehemalige Landeswissenschaftsministerin. Auch ihre Wahlkampagne hatte ihre Kuriositäten. Zwar verzichtete die Sozialdemokratin auf den - ernsthaft in Erwägung gezogenen - schlüpfrigen Slogan "Von OB verstehen die Frauen mehr", doch dafür sorgte ein anderes Motto für unfreiwillige Lacher: "Kölner Oberbürgermeister fangen mit âB' an". Der Kabarettist Wilfried Schmickler lästerte daraufhin in der "taz" in Anspielung auf den berühmtesten Kölner Oberbürgermeister: "Und nicht zu vergessen Konrad Badenauer."

Der "Spiegel" gab dem Kölner Oberbürgermeisterwahlkampf ein verheerendes Motto: "Lieber lächerlich als langweilig." Am Sonntag haben die Wähler das Wort.


Zum Thema

Wahlkampf um Schwule und Lesben

Alle vier Kandidaten der großen Parteien werben in Köln - bundesweit einmalig - offensiv um die Stimmen von Schwulen und Lesben. Bei der Grünen überrascht dies nicht weiter. Aber dass CDU-Kandidat Fritz Schramma eine Anzeige mit dem Slogan "Köln ist weder schwarz noch rot, sondern bunt" in dem schwul-lesbischen Magazin "Queer" schaltete, sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit.

Während Anke Brunn mit einem Wahlaufruf von Schwulen und Lesben zu ihren Gunsten dagegen hielt, "outete" sich FDP-Kandidat Ralph Sterck gar zum Wahlkampfbeginn öffentlich als homosexuell. "Zumindest in Köln kommt keine Partei mehr an den Schwulen und Lesben vorbei", kommentierte Micha Schulze von "Queer".


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