05.09.2000



CDU und SPD umwerben die Grünen

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Aachener Nachrichten

*   CDU und SPD umwerben die Grünen
Von Pascal Beucker

Die Grünen könnten bei der Stichwahl zum Amt des Kölner Oberbürgermeisters das Zünglein an der Waage spielen - dementsprechend werden sie von CDU und SPD umworben.

Die Reihen auf der grünen Wahlparty haben sich bereits merklich gelichtet, da kommt noch einmal Leben auf in der Kantine des Kölner Rathauses. Ungläubig blickt das Häuflein der verbliebenen grünen Aktivisten auf die Eingangstür. Denn da marschiert unerwartet CDU-Oberbürgermeisterkandidat Fritz Schramma mit der kompletten Führungsriege der Domstadt-Christdemokraten ein.

Äußerst herzlich begrüßt Schramma seine grüne Gegenkandidatin Barbara Moritz. Doch viel Zeit für ein vertrauliches schwarz-grünes Gespräch bleibt ihnen nicht. Es dauert keine zehn Minuten und SPD-Kandidatin Anke Brunn betritt den Saal. Auch Brunn steuert zielsicher auf Moritz zu, schaut allerdings recht verdutzt, als sie bemerkt, dass ihr christdemokratischer Konkurrent schneller war. "So begehrt werden wir nie wieder", kommentiert gut gelaunt ein grüner Ratsherr.

Stichwahl entscheidet

Dabei gehört die Grüne Moritz eigentlich - neben dem FDP-Kandidaten Ralph Sterck, der nur zwei Prozent der Stimmen erringen konnte - zu den Verlierern in der ersten Runde der Kölner Oberbürgermeisterwahl. Auf bis zu 15 Prozent hatte sie gehofft, bei 9,1 Prozent landete sie. Da jedoch weder Schramma mit seinen 47,3 Prozent noch Brunn mit ihren 38,9 Prozent die absolute Mehrheit erreichten, muss eine Stichwahl zwischen den beiden am 17. September über den kommenden Stadtchef entscheiden.

Und dann könnten jene Wähler den Ausschlag geben, die sich am vergangenen Sonntag noch für die Grüne entschieden haben. Kein Wunder also, dass bereits in der Wahlnacht sowohl Christ- als auch Sozialdemokraten die Öko-Partei mit Zusammenarbeitsangeboten überhäuften.

Grüne tagen am Dienstag

Doch die Grünen tun sich schwer mit einer Wahlempfehlung. Am Dienstag wollen sie auf einer Mitgliederversammlung darüber entscheiden - und werden wohl beide Parteien enttäuschen. "Fraktions- und Parteivorsitz tendieren dahin, keine Personenempfehlung abzugeben", gibt der stellvertretende Ratsfraktionsvorsitzende Jörg Frank die Richtung vor.

Der Grund ist einfach: Gewinnt Brunn, dann ist aufgrund der komplizierten Mehrheitsverhältnisse im Rat eine Große Koalition wahrscheinlich - und die Grünen stünden außen vor. Eine Unterstützung des CDU-Kandidaten ist jedochder grünen Wählerbasis nicht vermittelbar. Als Ausweg aus dem Dilemma plant die Partei nun für den 11. September eine Podiumsdiskussion mit Brunn und Schramma, bei der sich die Wähler eine eigene Meinung bilden sollen. "Wir werden dabei versuchen, die Konturen der beiden Kandidaten besser herauszuarbeiten", erklärt Barbara Moritz.

Das scheint auch bitter nötig. Denn das Ergebnis der Wahl vom Sonntag hatvor allem eins gezeigt: Die Mehrheit der Kölner ist bislang von keinem der Kandidaten überzeugt. Gerade mal 40,8 Prozent der Wahlberechtigten fand den Weg zur Urne - das sind fünf Prozent weniger als bei der OB-Wahl 1999. DieWahlbeteiligung sei "deprimierend und demoralisierend", so der Kölner Stadtdirektor Bernhard Wimmer.


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