30.10.2000



"Ihr seid hier unerwünscht"

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Aachener Nachrichten

*   "Ihr seid hier unerwünscht"
Von Pascal Beucker

Düsseldorfer machen Front gegen die Ewiggestrigen.

Paul Spiegel war beeindruckt. Er habe "heute einen Ruck durch die Bevölkerung erlebt", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden nach der großen Kundgebung gegen Rechts.

In der letzten Zeit sei er "schon ein wenig pessimistisch" gewesen. "Ich danke allen, die mir den Mut wiedergegeben haben." 25.000 Menschen waren am Samstagmittag dem Aufruf Düsseldorfer Parteien, Verbände und der Kirchen gefolgt, ein Zeichen gegen rechte Gewalt zu setzen. Anlass der friedlichen Kundgebung vor dem Rathaus und auf den umliegenden Plätzen war ein von der Polizei genehmigter Neonazi-Aufmarsch.

"Wir lassen uns die Freiheit nicht nehmen, gegen diesen Pöbel aufzustehen, unser Gesicht zu zeigen und jeder, aber auch jeder menschenverachtenden Ideologie eine deutliche Absage zu erteilen", rief Spiegel aus. Es müsse endlich damit schlussgemacht werden, "dass auf unseren Straßen Menschen gejagt werden, dass Friedhöfe und Synagogen geschändet werden, dass Menschen wieder Angst haben".

Bizarres Schauspiel

Spiegel wies allerdings auch darauf hin, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung daran nicht schuldlos sei, wenn sich pöbelnde Skinheads als Vollstrecker ihres Willens empfänden. So sei in den Elternhäusern, an den Schulen und am Arbeitsplatz nicht immer deutlich genug gemacht worden, "dass Asylbewerber Flüchtlinge sind, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen". Er attackierte die "Politiker, die uns klarzumachen versuchen, dass Ausländer und Zuwanderung eine Bedrohung für unser Land sind und nicht eine Bereicherung". Und er verwahrte sich gegen die Belehrung über "nützliche Ausländer und solche, die uns angeblich ausnützen".

Unterdessen spielte sich unweit des Rathauses ein bizarres Schauspiel ab: Rund 250 Neonazis marschierten vor menschenleerer Kulisse und weiträumig abgeschirmt von der Polizei die Rheinpromenade zum nordrhein-westfälischen Innenministerium entlang. Fünf Stunden lang dauerte ihr wenige hundert Meter weit führender Marsch.

Dabei achtete die Polizei strikt auf die Einhaltung der Auflagen. So war den Rechtsextremisten, überwiegend Skinheads, untersagt, die in ihren Kreisen beliebte Reichskriegsflagge mitzuführen und ihre Trommeln mussten sie ebenfalls wieder einpacken. "Ihr seid in Düsseldorf unerwünscht!", hatte ihnen Oberbürgermeister Joachim Erwin zuvor vom Marktplatz aus entgegengerufen.

Er wies darauf hin, dass sich die Neonazis für ihren Aufmarsch ein perfides Datum ausgesucht hatten: "Auf den Tag genau vor 62 Jahren, am 28. Oktober 1938, wurden die ersten Juden aus unserer Stadt deportiert." Die Düsseldorfer würden nicht untätig zusehen, "wie Ewig-gestrige den Marsch in die Vergangenheit üben".

Auch Ministerpräsident Wolfgang Clement betonte in seiner Rede: "Für Gewalt und Rassismus ist in dieser Stadt und in diesem Land kein Platz". Rechtsextremismus und Antisemitismus dürften nie wieder eine Chance bekommen. Und fügte hinzu: "Das ist der einzige deutsche Sonderweg, den wir entschieden in Deutschland gehen sollten."


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