19.01.2000



Einer flog über den Niederrhein

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*   Einer flog über den Niederrhein
Von Pascal Beucker

Die Sozialdemokraten in NRW halten dem Chef der Westdeutschen Landesbank, Friedel Neuber, den Rücken frei. Nur die Steuerfahndung macht Ärger.

Ist die »Düsseldorfer Flugaffäre« tatsächlich nur eine »Luftnummer, die immer mehr zu einem schmuddeligen Kriminalgespinst werden wird«, wie Ministerpräsident Wolfgang Clement am Samstag auf dem SPD-Landesparteitag in Essen verkündete? Seit Wochen müssen sich die Genossen an Rhein und Ruhr mit immer neuen Fragen über das Verhältnis ihrer Spitzenkräfte zur Westdeutschen Landesbank (WestLB) nerven lassen. »Wir sind die Schweinerei leid, da hineingerührt zu werden«, polterte SPD-Landtagsfraktionschef Manfred Dammeyer. Und der mächtig unter Druck stehende Finanzminister Heinz Schleußer sprach gar von einer Hetze, wie er sie noch nicht erlebt habe. Vergebliche Liebesmüh: Mit Schimpfkanonaden werden sie die Affäre um die Flugfreudigkeit von NRW-Regierungsmitgliedern mit dem Privatjet-Service der WestLB nicht los werden.

Wer flog wann, warum und auf wessen Kosten? Bis zur Landtagswahl im Mai soll ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags für Aufklärung sorgen. Nachdem bereits Anfang letzter Woche die Landesregierung dem Ausschuss eine Dokumentation von WestLB-Charterflügen übergeben hatte, hat nun auch die WestLB ihre Flugliste zusammengestellt. Danach haben Mitglieder der NRW-Landesregierung von 1989 bis 1999 über 100 Mal den Flugbereitschaftsdienst der Bank in Anspruch genommen. Alleine der frühere Ministerpräsident Johannes Rau ist über vierzig Mal mit der WestLB geflogen. Der Bundespräsident will sich erst Ende Januar zu seinen Reisen äußern. Doch schon jetzt steht fest: Er wird gehörige Anstrengungen unternehmen müssen, um den dienstlichen Charakter aller Flüge nachzuweisen.

Bisher hatte sich die WestLB mit Auskünften zur »Flugaffäre« vornehm zurückgehalten. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, WestLB-Chef Friedel Neuber wolle seine Skatbrüder Rau und Schleußer im Regen stehen lassen. Dabei hatte sich der big spender in der Vergangenheit stets äußerst fürsorglich um seine Parteifreunde gekümmert. Beispielsweise als er 1972 den von der WestLB gemanagten Investmentclub »IC 72« initiierte, zu dessen Gründungsmitgliedern Rau gehört. Auch Bodo Hombach half der 64jährige schon aus der Patsche. Als sich der damalige SPD-Landesgeschäftsführer in den achtziger Jahren beim Häuslebau übernommen hatte, besorgte ihm der Doktor honoris causa unbürokratisch einen günstigen Kredit seiner Bank. Doch in der »Flugaffäre« hält sich Neuber bisher zurück.

Vielleicht hat er einfach keine Zeit, um sich mit solchen Lappalien zu beschäftigen. Schließlich ist der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete, der Schleußer aus niederrheinischen Juso-Tagen kennt, ein viel beschäftigter Mann. Der gelernte Industriekaufmann, dem weder eine Begabung für Fremdsprachen noch eine geschliffene Rhetorik nachgesagt werden kann, gehört zu den mächtigsten Bankmanagern der Republik, sitzt u.a. in den Aufsichtsräten der Deutsche Bahn AG und der Friedrich Krupp AG Krupp-Hoesch, ist Aufsichtsratsvorsitzender der Preussag, von Babcock Borsig und RWE. Nachdem Neuber 1981 den Vorstandsvorsitz der WestLB übernahm, hat sich die Bilanzsumme des Konzerns beinahe versechsfacht.

Gegründet 1969 mit der Zusammenlegung der Landesbanken von Rheinland und Westfalen, ist die WestLB heute die größte Bank öffentlichen Rechts und das drittgrößte Kreditinstitut in der Bundesrepublik. Haupteigentümer ist mit 43,2 Prozent der Anteile das Land NRW. Der Rheinische und der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband halten je 16,7 Prozent. Den Rest teilen sich zwei von Städten und Kreisen des Landes gebildete regionale Landschaftsverbände. Über ein ausgedehntes Beteiligungsnetz reicht der Einfluss der Bank weit über NRW hinaus. WestLB-Ableger gibt es u.a. in Brüssel, London, Paris, Mailand, Zürich und Luxemburg. Auch Industriebeteiligungen gehören zum Sortiment, z.B. bei der Preussag oder der VEW. Wer »schöne Ferien« mit Tui macht, trägt ebenso zum Umsatz des Geschäftshauses bei wie die Kundschaft des Kaufhof.

Kontrolleure, die Neubers Tatendrang behindern könnten, brauchte der rote Konzernboss bisher nicht zu fürchten. Mit dem WestLB-Verwaltungsrat hat er noch nie große Probleme gehabt. Viele Genossen aus seiner Partei sitzen hier und mancher persönliche Duzfreund. Im Notfall hält Schleußer seinem Freund Neuber potenzielle Querulanten vom Leib. So brüskierte der Finanzminister die Grünen, als er Ende 1995 den kleinen Koalitionspartner bei der Neubesetzung des WestLB-Verwaltungsrates absprachewidrig überging. Das sei ein »Koalitionsbruch erster Güte«, tobte der grüne Fraktionssprecher Roland Appel. Doch Schleußer blieb hart - und die Grünen gaben klein bei. Statt eines Grünen schickte der Landtag den damaligen CDU-Fraktionschef Helmut Linssen in den Verwaltungsrat, der sich mit Wohlgefälligkeit in dem Gremium bedankte. Man kennt sich, man hilft sich: Als Linssen nach seinem Rücktritt vom Fraktionsvorsitz 1999 einen neuen Job für seinen langjährigen Büroleiter Christian Henkelmann suchte, fand Neuber in der WestLB einen Platz für ihn als Kulturbeauftragten.

Die Einbeziehung der Opposition gehört von jeher zum »System Neuber«. So durfte der CDU-Landesvorstand in den Geschäftsräumen der WestLB seine Sitzungen abhalten und die NRW-Bundestagsabgeordneten der CDU sich im bankeigenen Schloss Krickenbeck treffen. Natürlich beglückte die öffentlich-rechtliche WestLB nicht nur die SPD, sondern auch die Christdemokraten stets mit großzügigen Spenden.

Was für ein Glück auch für die CDU, dass SPD und Grüne bei der Einrichtung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Ende letzten Jahres dafür sorgten, dass sich der Ausschuss keine unnötigen Gedanken über die innigen Beziehungen nordrhein-westfälischer Politiker zur WestLB machen muss. Sie beschränkten den Untersuchungsauftrag auf die »Vorgänge und Umstände«, die Flüge von Mitgliedern der Landesregierung oder des Landtags mit dem WestLB-Flugservice betreffen. Der Antrag der CDU-Opposition, darüber hinaus zu prüfen, »inwieweit einzelnen Personen aus dem o.g. Personenkreis andere Vergünstigungen und Leistungen der WestLB gewährt wurden«, wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt.

Nur mit der Steuerfahndung hat Neuber immer noch seine Probleme. Die ermittelt gegen sein Bankhaus seit mehreren Jahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Von der WestLB soll illegal Geld nach Luxemburg und in die Schweiz verschoben worden sein. Bereits 1996 führten deshalb Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft eine erste Razzia bei dem Kreditinstitut durch; schon damals kursierten Gerüchte, dass die WestLB vorab aus Kreisen der Landesregierung gewarnt worden war. Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft einem »Anfangsverdacht« gegen Finanzminister Schleußer nach. Ende letzten Jahres leitete sie ein Strafermittlungsverfahren gegen ihn ein.

Im vergangenen Herbst bekam die WestLB wieder einmal Besuch von der Steuerfahndung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bei dem Bankhaus »dem Kundenwunsch nach einer anonymisierten Vermögensverschiebung systematisch entsprochen wurde«. Auch das Privathaus von Neuber wurde durchsucht. Gefunden hätten die Fahnder »erwartungsgemäß nichts«, so Neuber. Die Ermittlungen gehen weiter.


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