Generalsekretär
Müntefering will den größten Landesverband der SPD
umstrukturieren. Doch die nordrhein-westfälischen
Sozialdemokraten wehren sich noch.
Ein
erfolgreicher Kanzler, eine starke Bundestagsfraktion und
konstant hohe Umfragewerte sind ihm nicht genug. Noch
attraktiver will der SPD-Generalsekretär die deutsche
Sozialdemokratie im Jahr zwei nach der Machtübernahme
machen. O-Ton Franz Müntefering: »Es geht um den
Prozess der Aktualisierung, Verjüngung, Modernisierung,
Auffrischung.« Und: »Fitmachen muss man sich, solange
es einem gut geht.«
Im
kommenden Monat wird Müntefering den ersten Erfolg
seiner Anstrengungen vermelden können, wenn rund 750000
Mitglieder im Doppelpack mit der Parteizeitung Vorwärts
die »SPD-Card« zugeschickt bekommen. Wer den roten
Ausweis in der Größe einer Kreditkarte künftig
vorzeigt, kann bei einer Reihe von Firmen Rabatte auf
bestimmte Produkte und Dienstleistungen herausschlagen.
»Wir wollen damit die Menschen intensiver an die Partei
binden und ihnen den Nutzen einer Mitgliedschaft vor
Augen führen«, erläuterte ein Parteisprecher die
neueste sozialdemokratische Innovation.
Andere
Ideen aus dem Hause Münteferings aber müssen noch
einige Zeit auf ihre Verwirklichung warten. Mit seinem
Versuch, die nordrhein-westfälische SPD
umzustrukturieren, der er seit 1998 vorsteht, ist
Schröders rechte Hand vor zwei Wochen grandios
gescheitert. Einen Generalsekretär und ein
Parteipräsidium wollte Müntefering den NRW-Genossen auf
ihrem Parteitag Mitte September in Düsseldorf verordnen.
Wie die Bundespartei sollte der Landesverband stärker
zentralisiert und straffer strukturiert werden - was in
NRW nur auf Kosten der dominanten vier Bezirke Westliches
Westfalen, Ostwestfalen-Lippe, Niederrhein und
Mittelrhein gehen konnte.
So war
es ausgerechnet Münteferings Heimatbezirk Westliches
Westfalen, der sich schon vor der Abstimmung verweigerte.
Nach Ansicht des mitgliederstärksten SPD-Bezirks, der
auf dem Parteitag rund 40 Prozent der Delegierten
stellte, soll alles erstmal gründlich diskutiert werden.
Nach der Niederlage, die ihm seine Bezirksfreunde
bescherten, fragten sich Beobachter schon, ob
Müntefering das Sensorium für seine Partei abhanden
gekommen sei.
»Parteireform
ist etwas Sperriges«, musste Schröders starker Mann
eingestehen und versuchte sich in Schadensbegrenzung:
»Die Mehrheit von euch wollte keine Satzungsänderung
auf diesem Parteitag. Mehrheit ist Mehrheit.
Akzeptiert.« Eine Strukturkommission soll nun bis zum
Frühjahr nächsten Jahres neue Vorschlage unterbreiten.
Vorsitzender des 43köpfigen Gremiums: Müntefering.
Seinem Ziel, die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen
»strukturell mehrheitsfähig« zu halten, dürfte er auf
diesem Posten am nächsten kommen.
Darüber,
dass sich im größten SPD-Landesverband etwas verändern
muss, sind sich zwischen Rhein und Ruhr alle einig. Zehn
Prozent ihrer Wähler und 25 Prozent ihrer Mitglieder hat
die Partei in den letzten zehn Jahren verloren. Bei den
Kommunalwahlen 1999 rangierte sie mit 33,9 Prozent der
Stimmen deutlich unter der CDU, was sie 1 600 Mandate
kostete. Und bei der Landtagswahl im Mai schrammte sie
mit 42,8 Prozent nur knapp an einer Niederlage vorbei.
»Seit
zehn, 15 Jahren«, räumt auch Müntefering ein, stecken
die Genossen in ihrem Kernland in der Krise. Wenn die
SPD-Kandidatin in einer Stadt wie Köln, die bis zum
vergangenen Herbst 43 Jahre lang nur sozialdemokratische
Oberbürgermeister kannte, nun gegen einen
Provinz-Christdemokraten chancenlos ist, dann muss
einiges falsch gelaufen sein. Wenn schon nicht die
sozialdemokratische Politik schuld ist, dann sind es
eben, so Münteferings Rechnung, die Strukturen.
Und die
haben es in sich. So beschreibt Detlev Samland,
Vorsitzender des SPD-Bezirks Niederrhein, auf dem
Landesparteitag die für Traditionssozialdemokraten
traurige Realität: »Ein Mitglied tritt ein und ist
Student oder ist Auszubildender, und wenn du ihm nach 30
oder 40 Jahren die Urkunde für 30- oder 40jährige
Mitgliedschaft überreichst, ist er in der Kartei immer
noch als Student oder Auszubildender registriert.« Hat
sich die NRW-SPD etwa unbemerkt zu einem Zusammenschluss
von Bummelstudenten und Langzeit-Azubis entwickelt? Nein,
die Verwaltung der Mitglieder sei einfach schlecht, meint
Samland. Die SPD leiste sich »einen Umgang mit denen,
die bei uns Mitglieder sind, wie es ein Unternehmen, das
diese Menschen als Kunden betrachten würde, nie tun
würde«. Und dann werden die schlecht verwalteten
Mitglieder auch noch immer älter. »Uns ist es nicht
gelungen, die Überalterung innerhalb der Partei in den
letzten Jahren aufzufangen und sicherzustellen, dass
durch viele neue junge Mitglieder eine Balance zwischen
den unterschiedlichen Generationen in der Partei gehalten
wird«, so Samland.
»Wir
verlieren Mitglieder, wir aktivieren nicht mehr genug
Mitglieder, wir machen nicht Kampagnen in dem Umfang, wie
es erforderlich wäre, und wir haben auch ein Stück
Bürokratie und Doppelarbeit innerhalb der Partei«,
konstatiert Müntefering. Düstere Aussichten für die
einst erfolgsverwöhnten Rhein-Ruhr-Genossen. Nur gut,
dass das erste Reformwerk vollbracht ist. Denn mit der
SPD-Card gibt's auch Lebensversicherungen billiger.
|