20./27.12.2000



Der Standort-Schwabe

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*   Der Standort-Schwabe
Von Pascal Beucker

Zum neuen Jahr übernimmt der Maschinenbau-Manager Michael Rogowski den Posten an der Spitze des BDI.

Eine kleine Ära geht zu Ende: Nach sechs Jahren tritt Hans-Olaf Henkel ab. Nicht ganz freiwillig, aber die Satzung verlangt es: Mehr als drei Amtszeiten als Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sind nicht erlaubt. Zum neuen Jahr räumt der 59jährige nun das Feld für den von ihm ausgesuchten Nachfolger Michael Rogowski. »Ich hoffe, dass Rogowski während seiner Amtszeit mehr Freude haben wird als ich«, gab Henkel dem Kollegen mit auf den Weg. »Wenn jemand in diesem Land die Wahrheit offen ausspricht, dann gilt er gleich als 'Scharfmacher'.«

Diesen Ruf hat Rogowski noch nicht, auch wenn ihn sonst nichts von seinem Vorgänger unterscheidet. Fast nichts. Während der raubeinige Hanseat immer wieder provozierte, gilt der bodenständige Schwabe als umgänglicher Mensch. Aber wie Henkel ist auch Rogowski ein harter Wettbewerbsideologe. Absetzen von dem »auf Konflikt und Krawall ausgerichteten Kurs« seines Vorgängers, wie dies IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gefordert hat, wird sich der 61jährige Maschinenbau-Spitzenmanager denn auch höchstens rhetorisch. Wenn nötig, scheue auch er klare Worte nicht, betont er. »Aber man muss nicht immer gleich mit dem Holzhammer kommen.«

Rogowski ist ein erprobter Verbandsfunktionär. Von 1996 bis Ende September 1998 war er Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und von 1997 bis 1998 bereits BDI-Vizepräsident. Seine berufliche Karriere spricht für sich: 1974 begann er als Personalleiter bei der J.M. Voith GmbH und der Voith Getriebe KG, stieg dann aber schnell auf. 1992 brachte er es zum Vorsitzenden der Konzerngeschäftsführung der GmbH, 1997 zum Vorsitzenden des Konzernvorstandes der AG. Seit April 2000 ist er Vorsitzender des Gesellschafterausschusses und des Aufsichtsrates.

»Gebt uns die Freiheit zurück«, laute das Credo des elften Präsidenten in der BDI-Geschichte. Er wolle mithelfen, »die Soziale Marktwirtschaft wieder auf die Beine zu stellen«. Eine offene Drohung. Denn wenn Rogowski von »Freiheit« und »geordnetem Liberalismus« spricht, meint er Profitmaximierung und Kostenreduzierung - wie es einst in diversen längst vergilbten ML-Büchlein stand: »Vor lauter Gleichmacherei haben wir vergessen, dass es - krass gesagt - die Ungleichheit ist, die den Wettbewerb befördert und auch den Wohlstand.« Damit müsse endlich Schluss sein. »Wir haben die Sozialpolitik wie ein Netz über uns gespannt im Glauben, dass, wenn wir allen etwas Gutes tun, es den Wohlstand insgesamt fördert«, erläuterte Rogowski der Süddeutschen Zeitung. Das sei jedoch ein Irrtum. Dieses soziale Netz behindere den Wettbewerb. Es müssten vielmehr Anreize geschaffen werden, »damit die Arbeitslosen aus eigenem Antrieb ein eigenes Einkommen anstreben«. In welche Richtung diese Anreize gehen sollen? Rogowskis rhetorische Fragen zeigen den Weg: »Wie lange sollen wir Arbeitslosenhilfe gewähren? Und unter welchen Voraussetzungen? Wie lange sollen wir Sozialhilfe zahlen?«

Eigentlich könnte das parteilose Mitglied des CDU-Wirtschaftsrates auch bei den Grünen sein. Mit deren führenden Funktionären verbinden ihn schließlich die gleichen Grundüberzeugungen: Wie Joseph Fischer legt auch Rogowski besonderen Wert auf seine Fitness, und wie der Bundestagsfraktionschef Rezzo Schlauch verschmäht er einen guten Rotwein nicht. Wirtschaftspolitisch nähert sich die einstige Öko-Partei ohnehin den Vorstellungen Rogowskis an. So begrüßte er denn auch Schlauchs Idee, Unternehmer sollten mit Betriebsräten auch eine Bezahlung unter Tarif vereinbaren können: »Mich freut es, dass die Grünen nach der FDP, nach der Monopolkommission und dem Sachverständigenrat ein weiterer Genosse im Lager jener sind, die für mehr Freiheit am Arbeitsmarkt kämpfen.«

Als 1998 der Wahlsieg von Rot-Grün drohte, gehörte Rogowski wie sein Vorgänger Henkel zum Kreis derjenigen, die Schlimmes befürchteten. Doch sie wurden eines Besseren belehrt. »Wer hätte denn ahnen können, dass Oskar Lafontaine so schnell von der Bildfläche verschwinden würde und die Grünen alles anstandslos mitmachen?« entschuldigt sich Henkel heute. Rogowskis Bilanz fällt trotzdem »sehr gemischt« aus. Gerhard Schröder sei »auf dem Trip des reinen Pragmatismus und setzt dabei auf den unseligen Teil des Korporatismus, jene Strömungen, die immer noch sehr konservativ sind, um nicht zu sagen sozialträumerisch, und ihre Wurzeln in den Gewerkschaften haben, speziell in der IG Metall«.

Seinen Unmut ausgelöst hat vor allem die von Bundesarbeitsminister Walter Riester geplante Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, durch die vereinzelte Arbeitnehmerrechte gestärkt werden sollen. Während der DGB die Vorschläge dennoch als »arbeitnehmerfeindlich und eigensüchtig« bezeichnet, laufen die Arbeitgeberverbände Sturm. Der Entwurf bedeute »mehr Mitbestimmungszwang, mehr Kosten und weniger Demokratie«, tönte Dieter Hundt, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Auch für Rogowski bedeutet mehr Mitbestimmung weniger Demokratie. Er droht mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht.

Dabei tritt der designierte BDI-Chef selbst für eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ein - und gegen Korporatismus hat er ebenfalls nichts. Er dürfe eben nur nicht »konservativ« und »sozialträumerisch« sein. So sähe Rogowski gerne den Einfluss der Arbeitnehmer auf den einer Schülervertretung reduziert. Mitentscheiden sollen sie nicht. Deswegen ist er dafür, »dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat eingeschränkt werden sollte und Arbeitnehmer dort nicht mehr vertreten sein müssen«.

Rogowski bevorzugt eine traditionelle Unternehmensführung. Damit ist er bei Voith, einem weltweit führenden Hersteller von Papiermaschinen und Wasserturbinen, immer gut gefahren. Wenn es mal Probleme gegeben hat, begab er sich hinunter in die Produktionshallen und sprach zu seinen Untergebenen. Kein Wunder also, dass er von verbindlichen Flächentarifverträgen wenig hält, wo sich doch alles hervorragend direkt klären lässt. Festgeschriebene Arbeitszeitbegrenzungen mag Rogowski nicht. Es müsse wieder möglich sein, »bei flexiblen Arbeitszeiten in Hochkonjunkturphasen auch mal 50 Stunden in der Woche zu arbeiten«.

Aus dem Schwabenland hat es Rogowski nie weggezogen. Dass er jetzt vorrangig seine Zeit in der BDI-Zentrale im fernen Berlin verbringen muss, ist für ihn ein harter Schlag. Doch immerhin wird er auf Landsleute treffen. Mit seinem Amtsantritt am 1. Januar ist die schwäbische Skatrunde an der Spitze des organisierten deutschen Kapitals in Berlin perfekt. Auch BDA-Chef Hundt und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, sind Ländle-Spezis. Hundts Automobilzuliefererfirma, die Allgaier-Werke in Uhingen, und der Familienbetrieb von Sägenfabrikant Stihl in Waiblingen sind noch nicht einmal 100 Kilometer von Rogowskis Herkunftsstadt Heidenheim entfernt. Und wenn Jürgen E. Schrempp zu Besuch kommt, würde es sogar zu einem Doppelkopf reichen. Mit dem DaimlerChrysler-Chef ist Rogowski seit Jahren befreundet. Zu seinem sechzigsten Geburtstag hielt Schrempp die Laudatio. Im Ländle ist man halt eine große Familie.


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