28.01.2000



Rau und Clement geraten ins Visier

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*   Rau und Clement geraten ins Visier
Von Pascal Beucker

Nach Schleußers Rücktritt wegen der NRW-Flugaffäre verlieren der Bundespräsident und der Ministerpräsident ihre Deckung. CDU: "Die Affäre ist noch nicht vorbei."

Es war eine undankbare Aufgabe, die der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement am Mittwochabend am Rande des Neujahrsempfangs seiner SPD-Landtagsfraktion in Düsseldorf zu erfüllen hatte. Den wartenden Journalisten musste er den Rücktritt seines Finanzministers Heinz Schleußer mitteilen. "Ich bedaure den Schritt, zu dem sich Heinz Schleußer entschlossen hat, aber ich verstehe und respektiere seine Motive."

Wochenlang hatte Clement die Düsseldorfer Flugaffäre als "Luftnummer" abgetan. Als "Ehrenschutz" für seine Partei würde sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss erweisen, hatte der Ministerpräsident unlängst auf einem SPD-Landesparteitag verkündet. Besonders für seinen "Freund und Kollegen Heinz Schleußer". Clement hat sich getäuscht. Sein Kassenwart wurde am Mittwoch der Lüge überführt, nie in weiblicher Begleitung mit dem Privat-Jet-Service der WestLB geflogen zu sein. Es blieb Clements Aufgabe, das Abschiedsschreiben seines Ministers zu verlesen: "Ich werde und kann nicht zulassen, dass mein Privatleben weiter in dieser Form in die Öffentlichkeit gezerrt wird und damit Personen geschädigt werden, denen ich dies nicht zumuten kann und will."

Die Grünen reagierten erleichtert. Der Rücktritt sei eine "Notwendigkeit" gewesen, kommentierte Bauminister Michael Vesper. Der kleine Koalitionspartner hatten in den letzten Tagen die SPD immer wieder aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen.

Für die CDU im Landtag ist die Flugaffäre "nicht beendet", droht Fraktionschef Laurenz Meyer. Der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im Mai, Jürgen Rüttgers, warf der SPD vor, in der Flugaffäre zu lange "getäuscht und getrickst" zu haben. Die Opposition wird nichts unversucht lassen, im Untersuchungsausschuss weitere unangenehme Details der Flugaffäre zu Tage zu fördern. Zur Zeit ist nicht absehbar, ob es noch mehr Flüge gab als bisher bekannt. Ab Mitte der 90er-Jahre soll nach Aussage von Sabine Wichmann, der Witwe des verstorbenen PJC-Chefs, WestLB-Chef Friedel Neuber penibel darauf geachtet haben, dass Regierungsmitglieder nicht mehr namentlich auf den Rechnungen ihrer "Privat-Jet-Charter" auftauchten. PJC diente der WestLB als Flugbereitschaft. Auf seine persönliche Anweisung seien diese Passagiere nur noch unter Kürzeln wie "SP" (special person) oder Angaben wie "Neuber + 3" aufgetaucht.

Wichmanns Angaben werden durch die Akten der Staatsanwaltschaft bestätigt: Dort sind zusätzliche Flüge aufgetaucht, die weder in der WestLB-Liste noch in der Aufzählung der Landesregierung enthalten sind. Zudem stellt diese Praxis die bisherigen Behauptungen Clements und der Staatskanzlei in Frage, die "dienstlich veranlassten" Flüge von Kabinettsmitgliedern seien der Landesregierung ordentlich in Rechnung gestellt worden. Die Kosten seien mit dem Landesanteil an der jährlichen WestLB-Gewinnausschüttung verrechnet worden.

In die Schusslinie gerät nach Schleußers Rücktritt auch Bundespräsident Johannes Rau. Die CDU habe "ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage des früheren Ministerpräsidenten", sagte CDU-Fraktionschef Meyer. In einer Fernsehsendung hatte Rau beteuert, nie privat mit WestLB-Jets geflogen zu sein. Die Flugliste, die Raus Anwälte am Montag dem Untersuchungsausschuss übergeben haben, werfe laut Meyer "mehr Fragen auf, als sie Fragen beantwortet".

Kein Wunder, hatte Clements Vorgänger doch ein sehr weitreichendes Verständnis, was alles unter einer "Dienstreise" zu verstehen ist. Alle möglichen Verbände, Institutionen und Organisationen hätten "die Erwartung, dass der Ministerpräsident ihnen für Gespräche zur Verfügung steht, bei ihren Veranstaltungen spricht und sie besucht", ließ Rau seine Anwälte in einer schriftlichen Stellungnahme mitteilen. Hinzu kämen "vielfältige Erwartungen" bei Anlässen gesellschaftlicher Repräsentation. Etwa ein Flug für 24.200 Mark nach England, um Altbundeskanzler Helmut Schmidt zum 75. Geburtstag zu gratulieren. Schmidt hatte an diesem Tag dort seine Tochter besucht.


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