16.02.2000



Tote Hose an der Haltestelle

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taz

*   Tote Hose an der Haltestelle
Von Pascal Beucker

In Köln kämpfen drei Gratiszeitungen um Leser. Doch leider streikt gerade der ÖPNV.

Warum darauf noch niemand gekommen ist? Eine Taxi-Zeitung, das wärs am Dienstagmorgen in Köln gewesen. Ähnliches werden sich auch die Verteilerkolonnen der drei Gratiszeitungen gedacht haben, die etwas verloren an den Haltestellen der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) ihre Produkte an Mann und Frau bringen wollten. Denn zumindest am Dienstag war das Konzept, mit kostenlosen Blättchen den Benutzern des öffentlichen Personennahverkehrs die Langeweile zu vertreiben, in der Domstadt megaout: Die Bus- und Bahnfahrer streikten.

Nachdem das Berliner Kammergericht am Freitag eine einstweilige Verfügung gegen die Verteilung von 20 Minuten Köln des norwegischen Schibsted-Verlages aufgehoben hatte, erschienen gestern zum ersten Mal drei Gratiszeitungen in Köln: Neben Schibsteds 20 Minuten Köln und dem Kölner Morgen des Lokalmatadors M. DuMont-Schauberg, die schon am Montag gestartet waren, erschien nun auch wieder Köln extra, die "Abwehrmaßnahme" des Axel Springer Verlages.

Die Nase vorn im ersten Showdown des Zeitungskrieges hatte dabei eindeutig DuMont. Denn einzig sein Kölner Morgen machte die überraschende und, laut KVB, "ungenehmigte Arbeitsniederlegung" der Bus- und Bahnführer zum Aufmacher: "Bei der KVB droht heute ein Streik". Köln extra bekam den noch gerade mal als Kurzmeldung auf die Titelseite, während 20 Minuten Köln lediglich "Unregelmäßigkeiten im Fahrbetrieb" voraussagte. Unregelmäßigkeiten? Den ganzen Vormittag fuhr kein einziger Bus! Und Köln versank im Verkehrschaos.

Wie mans richtig macht, demonstrierte DuMonts kostenpflichtiges Boulevardblatt Express mit seinem Aufmacher: "Bahnsinn! Heute Streiks - Verspätungen - Miserabler Service. KVB & Bahn: Wann wacht ihr endlich auf?" Das brachte den Gemütszustand der Kölner auf den Punkt. Vor allem, weil auch Springers Köln extra voll daneben lang - ausgerechnet mit dem Wetterbericht. "Heute bleibt es frühlingshaft, gelegentlich Sonne", hieß es dort direkt auf der ersten Seite. Von wegen: Im strömenden Regen mussten die verhinderten ÖPNV-Nutzer darauf hoffen, eines der wenigen freien Taxis zu ergattern.

Statt mit dem KVB-Streik machte 20 Minuten Köln wie auch schon am Vortag mit einer Meldung der Nachrichtenagentur AP auf: "300.000 Kinder für Krieg missbraucht". Köln extra wählte als Aufmacher die umstrittene Ausstellung "Körperwelten" - mit dem Streit um die plastinierten Leichen waren allerdings die beiden anderen Konkurrenten bereits am Tag zuvor gekommen. Daneben trieb das Springer-Blatt noch die Sorge um das monegassische Königshaus um: "Caroline: 5. Kind - ein kleiner Prügel Prinz?" Und entsprach so ganz den Prioritäten der großen Schwester Bild.

Der Kölner Morgen hingegen blieb lieber in der Region: Neben dem KVB-Streik hob er noch die vermeintlichen "Geheimgespräche" Helmut Kohls von einer Telefonzelle in dem Kölner Vorort Bonn auf den Titel. Denn schließlich setzt DuMont auf Lokalpatriotismus, um sein Zeitungsmonopol zu wahren. Sein Kölner Morgen wirbt damit, dass er "eine Zeitung aus Köln von Kölnern für Kölner" sei. Es gelte, "in unserer Stadt Zeitungskultur zu verteidigen", schrieb die Redaktion in der ersten Ausgabe. Daher wolle der Gratistitel auch eine Zeitung sein, die "nicht die mit großem Aufwand produzierten traditionellen Kölner Tageszeitungen ersetzen will" - denn auch die erscheinen alle bei DuMont.

Mit großem Aufwand ist der Kölner Morgen in der Tat nicht produziert. Wie die beiden anderen Kostenlos-Postillen endet der redaktionelle Eigenanteil an den Grenzen der Domstadt. Ab Düsseldorf besorgen Agenturen das Infogeschäft. Was der Kölner Morgen im Gegensatz zur Gratiskonkurrenz dreist versteckt und die entsprechenden Beiträge nicht kennzeichnet. Nur im Impressum findet sich der Hinweis: "Der Kölner Morgen arbeitet mit den Presseagenturen AFP, AP, Reuters und SID." Ob sich die Kölner Zeitungskultur allein dadurch verteidigen lässt, dass zwei Agenturen mehr benutzt werden als bei 20 Minuten Köln?

Aber am Dienstag interessierte das ohnehin niemanden mehr. Schließlich ist der Kölner Morgen ebenso wenig wie 20 Minuten und Köln extra eine Taxi-Zeitung.


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