20.04.2000



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taz

*   Der Genosse von der ersten Bank
Von Pascal Beucker

WestLB-Chef Friedel Neuber hat sich hochgearbeitet. Jetzt muss er den Abstieg lernen.

Ob Friedel Neuber Rudi Schulte aus Essen kennt? Den aufrechten Kruppianer, über den noch keiner was geschrieben hat, „weil so richtig große Taten hat der nie vollbracht“, wie es im Lied Franz Josef Degenhardts aus den 70er Jahren heißt? Über Neuber ist viel geschrieben worden, vor allem in den letzten Wochen und Monaten. Und es hat dem 64-jährigen Duisburger nicht gefallen, was er da über sich lesen musste. Denn von großen Taten handelten die Berichte nicht.

Eine steile sozialdemokratische Karriere vom kleinen Krupp-Lehrling zum Vorstandsvorsitzenden der größten öffentlich-rechtlichen Bank der Republik neigt sich dem Ende zu. Die Wirtschaftswoche meldete bereits seinen vorzeitigen Rücktritt nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl – „aus Gesundheitsgründen“. Neuber ließ dementieren. Die Meldung sei „unsinnig“, „abwegig“ und entbehre jeder Grundlage, erklärte ein Sprecher der Westdeutschen Landesbank (WestLB). Über seinen Schulten Rudi sang Degenhardt einst: „Und jetzt werden auch die Nächte manchmal schwerer, und er schläft schlecht.“ Friedel Neuber dürfte es zur Zeit ähnlich ergehen.

Der kommende Donnerstag könnte für den „Paten“ zum Tag der Wahrheit werden. Denn am 27. April will die Consultingfirma Arthur Anderson ihre Sonderprüfung abgeschlossen haben. Das könnte bitter für Neuber werden. Denn die Wirtschaftsprüfer könnten zu Tage fördern, was der rote Bankboss bisher lieber verschwiegen hat.

Ende März hatte eine außerordentliche WestLB-Gewährsträgerversammlung die Bereitstellung eines für die Landesregierung kostenlosen Flugservices als Satzungsverstoß missbilligt und Anderson beauftragt, endlich Licht in den sozialdemokratischen Flugfilzdschungel zu bringen. Die Vertreter der Landesregierung votierten dagegen, doch es nützte ihnen nichts. Denn die Sparkassen- und Giroverbände halten zusammen mit den beiden Landschaftsverbänden die Mehrheit in dem Gremium – und überstimmten das Land.

Die „WestLB-Airlines“ für Johannes Rau & Co. war Neubers Idee gewesen, wie die Anwälte des Bundespräsidenten dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufklärung der Düsseldorfer Flugaffäre mitteilten: „Der Vorstandsvorsitzende der WestLB hat dem damaligen Ministerpräsidenten zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mündlich die gelegentliche Nutzung der über die WestLB gecharterten Flugzeuge angeboten.“ Das war irgendwann in den 80er Jahren. Mindestens 110 Mal sind seitdem sozialdemokratische Regierungsmitglieder auf WestLB-Kosten und am Landeshaushalt vorbei durch die Welt gejettet.

Vieles rund um diese Flüge liegt auch nach dem am Freitag dem Landtag vorgelegten Zwischenbericht des Flugaffären-Untersuchungsausschusses im Dunkeln. Für Aufklärung hätte Neuber sorgen können. Doch der verweigerte gegenüber dem Ausschuss jegliche Aussage.

Dass der Flugbereitsschaftsservice seiner Bank überhaupt für solche Turbulenzen sorgen konnte, ist für Neuber immer noch gänzlich unverständlich. Regierung, Landesbank und SPD – das gehörte an Rhein und Ruhr doch bislang stets irgendwie zusammen. Jedenfalls nach Auffassung der Genossen. Und denen verdankt der 64-Jährige, der 1957 der Partei beitrat, schließlich seine erstaunliche Karriere. Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete, dem weder eine Begabung für Fremdsprachen noch eine geschliffene Rhetorik nachgesagt werden können, gehört inzwischen immerhin zu den mächtigsten Bankmanagern der Republik. Seit 1981 WestLB-Chef, sitzt Neuber, der seinen Doktor honoris causa der Großzügigkeit der WestLB gegenüber der Universität – Gesamthochschule – Duisburg verdankt, unter anderem in den Aufsichtsräten der Friedrich Krupp AG Krupp-Hoesch und der Deutschen Bahn AG, ist Aufsichtsratsvorsitzender der Preussag, von Babcock Borsig und von RWE.

Dass er soweit kommen konnte, verdankt er allerdings auch seinem guten Gespür für diplomatische Notwendigkeiten. So gehörte es von jeher zum „System Neuber“, die Opposition miteinzubeziehen. Da durfte der CDU-Landesvorstand auch schon mal in den Geschäftsräumen der WestLB seine Sitzungen abhalten und die NRW-Bundestagsabgeordneten der CDU sich im bankeigenen noblen Schloss Krickenbeck treffen.

Natürlich beglückte die öffentlich-rechtliche WestLB nicht nur die SPD, sondern auch die Christdemokraten und die FDP stets mit großzügigen Parteispenden in fünfstelliger Höhe – für den grünen Landessprecher Reiner Priggen, dessen Partei leer ausging, eine „rechtswidrige Parteispenden-Praxis“. Doch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wies dessen Strafanzeige gegen die Bank zurück.

Nicht nur um die Politik kümmerte sich die Landesbank und ihr umtriebiger Chef. So bewirtete die WestLB auf ihre Kosten bis 1995 auch häufiger die Generalstaatsanwälte und die führenden Justizbeamten des Landes auf ihrem niederrheinischen Schloss oder lud die Mitarbeiter des Finanzministeriums zum Bootsausflug ein.

Probleme hat Neuber trotzdem bekommen. Denn seit einiger Zeit ermittelt die Steuerfahndung gegen sein Bankhaus wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Über die WestLB sollen mehrere 100 Millionen Mark illegal nach Luxemburg und in die Schweiz verschoben worden sein. Am 3. September 1996 führten deshalb Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft eine erste Razzia bei dem Kreditinstitut durch. Die Aktion verlief allerdings für die Fahnder frustrierend. Man habe die „europäische Großkundenbank“ (Neuber) geradezu klinisch gereinigt vorgefunden, hieß es aus Justizkreisen.

Schon damals kursierten Gerüchte, dass die WestLB vorab aus Kreisen der Landesregierung gewarnt worden war. Der Verdacht, dass der seinerzeitige Finanzminister Schleußer seinen Kumpel Neuber gewarnt haben könnte, ließ sich trotz entsprechender Aussagen der PJC-Piloten-Witwe Sabine Wichmann und des Piloten Lars Neitzke im Untersuchungsausschuss nicht erhärten, da sich beide nur auf Äußerungen von Wichmanns verstorbenen Mann berufen konnten. Die Staatsanwaltschaft stellte ein Ende letzten Jahres eingeleitetes Strafermittlungsverfahren gegen Schleußer wieder ein.

Neubers Vertrag läuft noch bis zum August 2001. Dass er ihn bis zum bitteren Ende erfüllen wird, ist unwahrscheinlich. Nur der Zeitpunkt seiner Ablösung steht noch nicht fest. Die Wirtschaftswoche könnte trotz aller Dementis nicht schlecht mit ihrer Terminierung liegen.


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