03.05.2000



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taz

*   Taktische Gerüchte
Kommentar von Pascal Beucker

Vor den Wahlen wird in NRW über die nächste Koalition spekuliert.

Bleibt Rot-Grün oder kommt Rot-Gelb? Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die Frage, wen sich Ministerpräsident Wolfgang Clement als kleinen Partner für die nächste Legislaturperiode aussuchen wird, endgültig ins Zentrum eines sonst langweiligen Wahlkampfs gerückt. Hat es bereits Gespräche Clements mit dem FDP-Stehaufmännchen Jürgen W. Möllemann über eine Koalition nach dem 14. Mai gegeben oder nicht? Beide dementieren, doch das heißt nicht viel.

Sicher ist nur: Clement lässt sich weiterhin alle Optionen offen. Nicht einmal der Hauch einer Aussage zugunsten seines bisherigen Koalitionspartners geht ihm über die Lippen. Machtbewusst, wie er ist, lässt er Grüne und FDP um seine Gunst buhlen. Das drückt den Koalitionspreis. Während die Avancen, die die Liberalen der SPD machen, immer penetranter werden, werben die Grünen mit dem Spruch "Wer Rot-Grün will, muss Grün wählen".

Die Grünen sind in keiner komfortablen Position. Im Wahlkampf vermeiden sie strikt schärfere Töne gegenüber dem großen Koalitionspartner, um Clement nicht zu verärgern. Statt politischer Forderungen setzen sie daher auf eine Imagekampagne. Bei den Wählern scheint das nicht gut anzukommen. In den Umfragen zwischen fünf und sieben Prozent gehandelt, müssen die Grünen um ihren Wiedereinzug in den Landtag bangen. Und wenn er denn gelingt, ist nicht viel Programmatisches zu erwarten. Zu stromlinienförmig und auf die Fortsetzung der Regierungsbeteiligung ausgerichtet ist ihre Landesliste. Es fehlt an Profil. Hinter der grünen Frontfrau Bärbel Höhn klafft eine große Lücke. Jürgen W. Möllemanns Wahlkampfstrategie scheint hingegen aufzugehen. Sein Liebesspiel mit der SPD und seine deutliche Distanzierung vom CDU-Loser Jürgen Rüttgers bescheren ihm Umfrageergebnisse, die seine Partei nach fünf Jahren Pause stabil im Parlament sehen. Dabei schadet es ihm offensichtlich nicht, dass die NRW-FDP in der Öffentlichkeit nur als One-Man-Show wahrgenommen wird.

Aus einer FDP-SPD-Koalition dürfte allerdings trotz aller Spekulationen nichts werden. Denn wenn Rot-Grün im größten Bundesland kippt, steht auch die Koalition in Berlin zur Disposition. Daran können Schröder und die Bundes-SPD zurzeit kein Interesse haben. Hier wird Clement Rücksicht nehmen müssen. Presseberichte über Geheimgespräche mit Möllemann sind da ein Glücksfall für die Grünen. So wird der unberechenbare Machtmensch Clement schon jetzt zu Dementis gezwungen. Rein taktische Verhandlungen mit den Grünen, um dann doch zur FDP zu schwenken, sind nach der Wahl nur noch schwer möglich.


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