17.05.2000



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taz

*   Feuerprobe für die Grünen
Von Pascal Beucker

Mit dem Möllemann im Nacken verhandelt es sich schwer: Büßen die Grünen bei den Koalitionsgesprächen auch noch den letzten Rest Profil ein?

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen können sich auf harte Verhandlungen einstellen. Während sie sich am Dienstag auf einer Klausurtagung im idyllischen Wassenberg an der niederländischen Grenze auf die Koalitionsgespräche vorbereiteten, wurde Ministerpräsident Wolfgang Clement deutlich: Es gebe "glasklare Startbedingungen" für eine Neuauflage der rot-grünen Koalition, verkündete Clement. "Die Regierungsarbeit muss sich verbessern", mahnte der Ministerpräsident an. Die vergangene Legislaturperiode habe zu zwei Dritteln aus Streit und einem Drittel Knatsch bestanden. Ein Abschluss "um jeden Preis" sei mit ihm nicht zu machen. Schließlich gebe es "zwei Möglichkeiten der Regierungsbildung". Clement kündigte an, sich noch in dieser Woche mit dem neuen FDP-Landtagsfraktionschef Jürgen W. Möllemann zu treffen. - Der Druck auf den kleinen Koalitionspartner wächst.

Weniger Kompetenzen für Höhn

Als entscheidende Punkte für eine Fortsetzung von Rot-Grün bezeichnete der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende die Sicherstellung der Stabilität der Regierung, die Übereinstimmung bei wichtigen Projekten und die Bereitschaft, Verwaltungsentscheidungen nicht zu politisieren und zu beschweren. Gerade der letzte Punkt zielt auf die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn ab. Es wird damit gerechnet, dass die SPD die Kompetenzen ihres Ministeriums drastisch beschneiden will. So soll der Bereich Raumordnung aus dem Umweltministerium ausgegliedert werden. Mit den weiteren Planungen zum umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II hätte Höhn dann nichts mehr zu tun.

Dabei dürfte der Dauerkonflikt der abgelaufenen Legislaturperiode kein Streitthema zwischen den beiden Parteien mehr sein. "Die Genehmigungen kann man nicht zurücknehmen", konstatierte die grüne Landessprecherin Barbara Steffens. "Wir wollen nicht nachkarten." Das Vertrauen der Menschen in den vom Braunkohletagebau bedrohten Gebieten haben die Grünen ohnehin verloren. So stürzten die Grünen in den fünf betroffenen Orten der Stadt Erkelenz von 31 Prozent vor fünf Jahren auf 13 Prozent ab. In der Nachbargemeinde Jüchen halbierte sich die Partei fast und landete nur noch bei etwa elf Prozent.

Streitpunkt Metrorapid

Zentrale Themen der Koalitionsverhandlungen werden die Industriepolitik sowie die Verkehrs-, Bildungs- und Energiepolitik sein. So setzt Clement auf den Bau des Metrorapids im Ruhrgebiet. Diese S-Bahn-Variante des Transrapid soll die Ruhrgebietsstädte im 10-Minuten-Takt miteinander verbinden. Zwar haben die Grünen Zweifel an der Finanzierbarkeit des Projektes, signalisierten jedoch bereits ihre Kompromissbereitschaft. Auch einem weiteren Ausbau von Autobahnen stimmte Parteisprecher Reiner Priggen schon vor der Wahl zu.

Ein Streitpunkt bleibt der Ausbau der Flughäfen in Nordrhein-Westfalen, den Clement forcieren will. Allerdings dürfte sich auch hier der grüne Widerstand in Grenzen halten. Auch für eine Änderung der rigiden Abschiebepolitik von SPD-Innenminister Fritz Behrens wird sich die grüne Partei nicht allzu sehr einsetzen - ihr bisheriger flüchtlingspolitischer Sprecher und einziger Immigrant im Landtag, Jamal Karsli, wurde so weit hinten auf die Liste gesetzt, dass er dem neuen Landtag nicht mehr angehört. Die weitere Subventionierung der Steinkohle, deren Ende die FDP vehement fordert, wollen die Grünen auch mittragen.

Auf ihrer Klausurtagung hat die grüne Landtagsfraktion unterdessen ihre ersten Personalentscheidungen getroffen. Sie wählte die 43-jährige Lehrerin Sylvia Löhrmann zur alleinigen Sprecherin. Zuvor war die bisherige Doppelspitze mit einer einstimmigen Änderung der Fraktionsgeschäftsordnung abgeschafft worden. Zudem wurde der Vorstand von sechs auf vier Personen reduziert. Neben Löhrmann gehören ihm noch der Realo Johannes Remmel als Parlamentarischer Geschäftsführer und die beiden grünen Landesvorstandssprecher Reiner Priggen und Barbara Steffens als gleichberechtigte Stellvertreter an. Die 37-jährige Steffens und der 47-jährige Priggen wollen ihre Parteiämter im Juni niederlegen. "Mit dieser gestrafften Struktur werden wir in Zukunft effektiver arbeiten können", sagte Löhrmann zur taz. Ihr bisheriger Mitsprecher Roland Appel war schon bei der Listenaufstellung seiner Partei durchgefallen und gehört wie auch sein sozialdemokratischer Kollege Manfred Dammeyer nicht mehr dem Landtag an. Die SPD-Fraktion will erst in der kommenden Woche über ihre neue Spitze entscheiden. Als aussichtsreiche Anwärter gelten der parlamentarische Geschäftsführer Edgar Moron und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ex-Sozialminister Axel Horstmann. Der Parteilinke Horstmann wird hinter den Kulissen allerdings auch als möglicher Generalsekretär der Landes-SPD gehandelt.


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