31.05.2000



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taz

*   Möllemann will Merkels Erbe
Von Pascal Beucker

Aus der Koalition mit den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen wird wohl nichts, das muss auch Jürgen Möllemann einsehen. Jetzt bläst er zu neuen Taten: Die FDP soll Volkspartei werden. Die CDU erklärt er für erledigt, die FDP soll sie beerben.

Jürgen W. MöllemannStrahlende Sieger sehen anders aus. Zwei Wochen nach der Landtagswahl ist die euphorische Stimmung bei Jürgen W. Möllemann verflogen. Der graue Alltag hat den liberalen Zampano eingeholt. Träume sind ihm zwar geblieben, der Traum von der Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen scheint jedoch ausgeträumt.

Und so beschäftigte sich Möllemann gestern auch nur noch beiläufig mit den rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf. Es sei "eine Missachtung des Wählerwillens", wenn "gegen eigene Überzeugung und wider besseres Wissen " Ministerpräsident Wolfgang Clement die "Streit- und Stillstandskoalition" fortführen wolle. Dass sich Clement noch umentscheiden könnte, daran glaubt allerdings anscheinend nicht einmal mehr der notorische Optimist Möllemann - auch wenn er selbstverständlich sein Angebot an die SPD pflichtgemäß wiederholte.

Seine eigene Rolle sehe er in NRW "als Bildungsminister oder als Oppositionsführer". Es sieht nach Letzterem aus, und so sucht Möllemann die Flucht nach vorne. Statt über das voraussichtliche Scheitern seines Werbens um die Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr zu sprechen, redet er nun wieder über sein Lieblingsthema: die eigene Partei.

Für die plant er Großes: 18 Prozent soll die Zielzahl bei der Bundestagswahl 2002 sein. Das habe nichts mit Größenwahn zu tun, beteuert der FDP-Landeschef. "Entscheidend ist vielmehr, dass die FDP als Ganzes nicht so weitermacht wie vor den Wahlsiegen in Kiel und Düsseldorf."

Das Selbstverständnis der FDP müsse sich "von der Nischenpartei zur Volkspartei mausern", forderte er. Schließlich sei der Niedergang der Christdemokraten eine europaweite Tendenz. Auch in der Bundesrepublik stünde die Frage auf der Tagesordnung, "was aus der CDU wird, wer an ihre Stelle tritt und wie viele". Die Freidemokraten müssten "aus dem mentalen Gefängnis ,dritte Kraft' ausziehen". Deshalb starte er nun das "Projekt 18" für NRW und auch für die Bundespartei.

Was der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt davon hält? "Ich denke, er ist angetan davon", antwortete Möllemann. Das ist zweifelhaft. Denn Gerhardt dürfte genau vernommen haben, dass sein Sturz nach Ansicht des Hobby-Fallschirmspingers nur verschoben ist. Dem 18-Prozent-Ziel "werden Personalentscheidungen eines Bundesparteitages zur rechten Zeit entsprechen", so Möllemann. "Die NRW-FDP steht für nichts, außer ,gegen Gerhardt'", spottet SPD-Fraktionschef Edgar Moron.

Während Möllemann gedanklich in bundespolitischen Höhenflügen schwelgt, muss der ehemalige Vizekanzler zunächst die Tristesse der Oppositionsbank in Nordrhein-Westfalen bewältigen. Verblasst sind die gemeinsamen Bilder von Möllemann und Clement, auf denen sich die zwei wie frisch Verliebte gut gelaunt zuzwinkerten. Zur Zeit sieht es danach aus, als bliebe es beim One-Night-Stand.

Schon vor der konstituierenden Landtagssitzung am Freitag scheiterte Möllemann gleich zweimal am für ihn nur schwer erträglichen Beharrungsvermögen der Alteingesessenen. Die von der FDP-Fraktion beanspruchten bisherigen Grünen-Fraktionsräume auf einer Ebene mit SPD und CDU will ihm der sozialdemokratische Landtagspräsident Ulrich Schmidt nicht überlassen und bot nur Räume eine Etage tiefer an. Zudem hatte die neu ins Parlament eingezogene FDP als selbst ernannte "Partei der Mitte" im Landtag in der Mitte sitzen wollen. Dort bleiben jedoch nach Beschluss des Ältestenrates weiterhin die Grünen. Die Liberalen müssen nun ganz außen, rechts von der CDU, Platz nehmen.


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