NRW-Ausgabe - 13.07.2000



"Wie die Festnahme flüchtiger Terroristen"

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*   "Wie die Festnahme flüchtiger Terroristen"
Von Pascal Beucker und Marcus Meier

Zum ersten Mal hat die Polizei ein Kirchenasyl im Bereich der Rheinischen Landeskirche gewaltsam beendet. Ralph Giordano protestiert.

Sie kamen in den Morgenstunden. Am Dienstag um 7.30 Uhr begehrten uniformierte Polizisten und Mitarbeiter des Duisburger Ausländeramtes Einlass in das Haus von Thomas Gregorius. In der Hand hielten sie einen Durchsuchungsbeschluss “zum Auffinden der Familie Zumberov”. 15 Polizeibeamte sperrten die Straße ab und umstellten das Pfarrhaus. Der Grund der Polizeiaktion: Der Diakoniepfarrer des Kirchenkreises Moers hatte der vierköpfigen Roma-Familie Kirchenasyl gewährt. Zum ersten Mal wurde mit dieser Polizeiaktion ein Kirchenasyl im Bereich der Rheinischen Landeskirche gewaltsam beendet.

Alles ging ganz schnell. Der “überfallartige Polizeieinsatz” habe ihn “an die Festnahme flüchtiger Terroristen” erinnert, so Pfarrer Gregorius. Die Zumberovs sollten sich ankleiden und ins Polizeipräsidium mitkommen, wurde ihm beschieden. Noch am selben Tag wurde Vater Zumberov einer Haftrichterin vorgeführt. Die erließ einen Abschiebehaftbefehl. Wie es die Stadt Duisburg beantragt hatte.

"Nach einem innerministeriellen Erlass kann in einem Fall wie dem vorliegenden die Sicherung der Ausreise nur durch Inhaftierung eines Elternteils gewährleistet werden", begründete die Stadt die von ihr veranlasste Maßnahme. Einen Ermessensspielraum habe es nicht gegeben. Die Stadt äußerte ihr Bedauern - darüber, dass die Entscheidungen der Behörden von der Familie und ihren Helfern nicht anerkannt worden seien.

Die Zumberovs sollen gegen ihren Willen nach Makedonien abgeschoben werden. Für Ralph Giordano ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. Der Kölner Publizist erfuhr vor einem dreiviertel Jahr vom Schicksal der Familie. Seitdem setzt er sich für ein Bleiberecht der Familie ein. Es gehe doch um die Kinder, “die im Falle der Abschiebung ihrer Heimat beraubt werden - und die ist Duisburg”, appellierte Giordano immer wieder eindringlich an das Düsseldorfer Innenministerium. Vergeblich.

1988 kam der damals 8 Monate alte Ajnur zusammen mit seinen Eltern Nehru und Igbal Zumberov aus Jugoslawien nach Duisburg. Im November 1990 wurde Samanta dort geboren. Eigentlich hätte sie nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht seit 1. Januar 2000 Anspruch auf die doppelte Staatsbürgerschaft gehabt. Das Pech der vier: Um eine Zwangsabschiebung zu verhindern, reisten die Zumberovs 1996 “freiwillig” in das inzwischen unabhängige Makedonien zurück. Samantas Eltern verloren ihren Flüchtlingsstatus und damit den Einbürgerungsanspruch für ihr Kind.

Die ständigen Übergriffe auf Roma und die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in dem instabilen Land machten den Zumberovs dort das Leben zur Hölle. 1998 entschlossen sie sich zur Rückkehr nach Duisburg. Durch ihren zweijährigen Auslandsaufenthalt, so argumentiert nun das NRW-Innenministerium, erfüllten die Zumberovs “offensichtlich nicht die erforderlichen Voraussetzungen der Altfallregelung 1996 und 1999”. Im Gegensatz zum Petitionsausschuss des Landtags hält Innenminister Fritz Behrens eine Abschiebung für unvermeidbar. “Persönliche Anteilnahme” dürfe hier kein Maßstab sein, so der Sozialdemokrat in einem Schreiben an Giordano.

Pfarrer Gregorius sagt: “Man hätte uns die Möglichkeit geben müssen, mit den Behörden nach einer besseren Lösung für die Familie zu kommen”. Gegen ihn wird nun wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt ermittelt.


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